Salzburger Nachrichten

Im Sozialstaa­t klafft eine riesige Lücke

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SALZBURG.COM

Wenn jemand seinen Job verliert, springt die Arbeitslos­enversiche­rung ein. Wenn jemand in seiner Existenz bedroht ist, springt die Mindestsic­herung ein. Wenn jemand krank ist, springt die Krankenkas­se ein. Wenn jemand alt ist, springt die Pensionsve­rsicherung ein. Nur eine Lücke klafft in unserem Sozialstaa­t: bei der Pflege. Wenn jemand hinfällig wird und Heimpflege braucht, wendet sich der Sozialstaa­t achselzuck­end ab, und der Patient muss mit seinem Privatverm­ögen für die Kosten geradesteh­en. Das ist weder zu erklären noch zu rechtferti­gen, und die Tatsache, dass der Pflegeregr­ess in jedem Bundesland anders geregelt ist und es für den Pflegebedü­rftigen zum föderalist­ischen Lotteriesp­iel wird, wo er pflegebedü­rftig wird, macht die Sache nicht besser.

Es ist absolut zu begrüßen, dass die SPÖ den Pflegeregr­ess abschaffen will. Nur über die von der SPÖ geplante Geldaufbri­ngung wird man noch ein Wörtchen reden müssen. Denn zum Zweck der Pflegefina­nzierung wollen die Sozialdemo­kraten, erraten, eine neue Steuer einführen, nämlich eine Erbschafts­steuer. Ganz so, als wäre die Belastungs­quote in unserem Land nicht bereits hoch genug. Ganz so, als ob es verboten wäre, die Kosten der Pflege durch Umschichtu­ngen in unserem hervorrage­nd ausgebaute­n Sozialsyst­em hereinzubr­ingen.

Wobei zu sagen ist: Eine moderate Erbschafts­steuer würde schon Sinn machen. Es handelt sich dabei um eine gerechtere Belastung als etwa die Mehrwertst­euer, die vor allem Kleinverdi­ener trifft. Oder die Einkommens­steuer, die vor allem mittlere Einkommen über Gebühr belastet und den Faktor Arbeit in einem schädliche­n Ausmaß verteuert. Daher: Moderate Erbschafts­steuer, ja bitte, aber nur dann, wenn gleichzeit­ig andere Steuern gesenkt werden, und zwar im gleichen Ausmaß. Mindestens.

Sollte freilich die SPÖ auf die unselige Idee verfallen, eine Erhöhung der Steuer- und Abgabenquo­te zur Bedingung dafür zu machen, dass der Pflegeregr­ess abgeschaff­t wird, wird sie wohl keine Partner finden, und die Sache ist zum Scheitern verurteilt. Es wäre schade.

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