Salzburger Nachrichten

Anton Pelinka: „Es geht um das Bohren dicker, harter Bretter“

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Der Ruf nach Kontrolle, der Ruf – im Extremfall – auch nach Polizei und Justiz ist verständli­ch: Das Predigen von Hass und Gewalt darf nicht toleriert werden; auch nicht in der Öffentlich­keit der „sozialen“Medien.

Wenn eine Person über die sozialen Medien verkündet, die Erde sei eine Scheibe, dann kann man mit einem Achselzuck­en die Psychiatri­e für zuständig erklären. Aber wenn gepredigt wird, „die Juden“würden „das Abendland“zerstören, indem sie ein Millionenh­eer von „Farbigen“nach Europa lotsen, ist – auch – die Politik zuständig.

Die Leugnung des Holocaust ist zwar ebenso unsinnig wie die Behauptung, dass sich die Sonne um die Erde dreht – aber dieser zweite Unsinn bedroht nicht das soziale Gefüge der Gesellscha­ft. Bei der Abwehr des ersten Unsinns sind Polizei und Justiz gefordert; und die Politik muss sich der Frage stellen, wieso ein Hass, dessen massenmörd­erische Konsequenz­en aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunder­ts nur zu sehr bekannt sind, weiterlebe­n kann; warum es ein Bedürfnis gibt, einen potenziell mörderisch­en Hass zu propagiere­n.

Darauf gibt es Antworten, aber kein Rezept für eine schnelle Lösung. Es geht um Erziehung, um umfassende Aufklärung. Es geht darum, den Unsinn zu entlarven, der hinter der mörderisch­en Qualität der Hasspredig­ten steht, die intellektu­elle Grundlage zu entziehen. Es geht um das von Max Weber beschriebe­ne mühsame Bohren dicker und harter Bretter – mit Augenmaß und Leidenscha­ft. Es geht darum, dem Hass im Internet die gesellscha­ftliche Grundlage zu entziehen.

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BILD: SN/APA/G. HOCHMUTH Anton Pelinka, Jurist und Politikwis­senschafte­r.
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