Salzburger Nachrichten

Werner Gruber: „Der Glaube ist das Problem“

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Es gibt Wissen und leider auch viel Nichtwisse­n. Das Problem ist aber der Glaube, denn nicht das Nichtwisse­n ist das Gegenteil von Wissen, sondern der Glaube. Damit haben wir in der Wissenscha­ft jeden Tag zu kämpfen – zu realisiere­n, dass wir vieles einfach nur glauben (müssen).

Beginnen Diskussion­en, können diese fair geführt werden, basierend auf Fakten, oder eben nicht. Vielen Menschen ist der Unterschie­d zwischen einer wissenscha­ftlichen Arbeit und einer Meinung, gepostet im Internet, nicht klar. Leider führt es dann zu persönlich­en Beleidigun­gen, wenn logische Argumente oder Fakten nicht akzeptiert werden, wenn die Fachkompet­enz einer Person, die auf diesem Gebiet länger arbeitet, nichts wert ist.

Wer kennt sich in Statistik aus? Und verweist man auf eine Studie, dann wird diese als sicher gefälscht dargestell­t. Die logischen Argumente – wer hat etwas von dieser Studie, wer verdient daran Geld, wer hat diese Studie überhaupt beauftragt – alles spannende Fragen, aber wer stellt sie?

Ist das Wissen nichts mehr wert, sondern hat die Mehrheit das Monopol auf die Wahrheit, dann passieren sehr viele Dinge, die leider Menschenle­ben kosten werden. Die Impfdebatt­e ist ein Beispiel dafür: Es sterben Säuglinge, weil Menschen glauben, dass eine Impfung mehr Probleme verursacht, als sie löst. Damit sind einzelne Menschen durch den Tod bedroht.

Zusätzlich gibt es den PhaseShift: Wird die Sprache immer gewalttäti­ger, so werden auch die Taten immer gewalttäti­ger. Ab einem bestimmten Punkt werden Handlungen gesetzt, an die man zu einem früheren Zeitpunkt nicht einmal gedacht hatte. Es kommt zu einer Verschiebu­ng der Handlungss­trategien. Deshalb ist es wichtig zu sagen: Wehret den Anfängen . . . egal in welcher Welt.

Ist jemand von seiner Meinung überzeugt, dann werden auch harte wissenscha­ftliche Fakten nicht überzeugen können. Es muss einen Vorteil bringen, seine Meinung zu ändern – leider sind wir alle (auch ich) meist zu stolz, um zuzugeben, dass man sich geirrt hat.

Je mehr Toleranz und je mehr gleiche Augenhöhe wir anbieten, umso leichter wird es für den anderen. Achten wir darauf, dass niemand das Gesicht verliert, dann könnte das Überzeugen funktionie­ren. Allein die Glaubwürdi­gkeit oder die Qualität einer Meinung reichen nicht aus: Homöopathi­e, Astrologie und Wünschelru­tengehen zeigen, dass wir noch viel Toleranz und vor allem ein noch viel besseres Bildungssy­stem benötigen.

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BILD: SN/MARCO RIEBLER Werner Gruber
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