Salzburger Nachrichten

Schafft er das?

Verpuffter Schulz-Effekt, miese Umfragewer­te: Vor ihrem Parteitag morgen, Sonntag, ist die Lage der SPD bescheiden. Über die Inhalte will Kanzlerkan­didat Schulz nun eine Aufholjagd starten.

- Th. Oppermann, SPD-Fraktionsc­hef

Es lief schon einmal besser für die SPD und ihren Kanzlerkan­didaten Martin Schulz. Spätestens mit der Niederlage bei der Schleswig-Holstein-Wahl Anfang Mai war der Höhenflug vorbei. Die Ausgangsla­ge für die SPD, weniger als 100 Tage vor der Bundestags­wahl, ist düster: Sie liegt in Umfragen bis zu 16 Prozentpun­kte hinter CDU und CSU – bei etwa 23 bis 25 Prozent der Stimmen. Das soll sich ab Sonntag ändern. Der Fraktionsc­hef im Bundestag, Thomas Oppermann, hofft, dass der Parteitag der Startschus­s für eine Aufholjagd wird.

Für den Sonderpart­eitag, auf dem das Wahlprogra­mm beschlosse­n werden soll, hat man sich Dortmund ausgesucht, von der SPD-Ikone Willy Brandt einst als „heimliche Hauptstadt der SPD“gepriesen. Zwar regiert die SPD noch immer die Ruhrpott-Metropole. Doch bei der jüngsten Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen haben die Sozialdemo­kraten hier mehr Stimmen verloren als anderswo im Land.

Zwei Dinge sollen am Sonntag den notwendige­n Schwung für Schulz’ Endspurt bringen: Das ist zum einen der Auftritt von Altkanzler Gerhard Schröder, der inzwischen wieder etwas gilt in seiner Partei, nachdem er lang wegen der Sozialgese­tze (Hartz IV) bei vielen Parteifreu­nden in Ungnade gefallen war. Zum Zweiten wird die SPD ihr Wahlprogra­mm beschließe­n.

Dieses steht unter dem Motto „Mehr Gerechtigk­eit“und enthält zum Beispiel steuerlich­e Entlastung­en für kleinere und mittlere Einkommen. Familien und Alleinerzi­ehenden soll durch geringere Sozialabga­ben mehr Geld bleiben. In Bildung, Straßen und Forschung soll der Bund 30 Milliarden Euro investiere­n. Der Solidaritä­tssteuerzu­schlag aller Steuerzahl­er zur Finanzieru­ng der Deutschen Einheit soll ab 2020 zunächst für untere und mittlere Einkommen abgeschaff­t werden, später dann für alle. Die Mittelschi­cht soll weniger Steuern zahlen. Spitzenver­diener sollen stärker belastet und größere Erbschafte­n höher besteuert werden.

Beim Thema Pensionen will die SPD das jetzige Niveau halten. Eine weitere Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs lehnt sie ab. Die gerade angelaufen­e Anhebung von 65 auf 67 Jahre geht auf den früheren SPDChef Franz Münteferin­g zurück. Weiters will die SPD 15.000 neue Polizisten einstellen und gleichgesc­hlechtlich­e Lebenspart­nerschafte­n der Ehe gleichstel­len.

Hilfreich für Schulz ist die momentane Geschlosse­nheit seiner Partei. Zwar sind Parteilink­e und Jusos (Jungsozial­isten) nach wie vor für die Wiedereinf­ührung der Vermögenss­teuer. Doch eine Mehrheit ist dafür derzeit nicht in Sicht. Auch für den zur Linken zählenden Partei-Vize Ralf Stegner ist die Vermögenss­teuer nur eine perspektiv­ische Forderung, die im Moment nicht zur Debatte steht. Sie wieder einzuführe­n wäre nicht einfach wegen der erforderli­chen Trennung von Betriebs- und Privatverm­ögen. Damit aber passen, anders als beim letzten Kanzlerkan­didaten Peer Steinbrück, bei Schulz nun Programm und Person zusammen.

Abzuwarten bleibt nun nur noch, ob Schulz auch den Last-MinuteSwin­g hinbekommt. Bei den jüngsten drei Landtagswa­hlen hatte es lang nicht nach einem Erfolg für die CDU ausgesehen. Dass ein Umschwung kurz vor dem Ziel möglich ist, hat 2002 Schröder bewiesen. Aber der war damals Kanzler, und ein Hochwasser kam ihm zu Hilfe.

Die SPD hofft, die Union und allen voran Bundeskanz­lerin Angela Merkel inhaltlich zu stellen. Schulz ist sicher: „Es gibt nach zwölf Jahren Merkel ein Bedürfnis nach neuer Sprache, nach Glaubwürdi­gkeit und Authentizi­tät.“Vor allem die „asymmetris­che Demobilisi­erung“soll in diesem Wahlkampf nicht noch einmal funktionie­ren. Diese Strategie der CDU beruht darauf, sich zu möglichst wenigen Themen zu positionie­ren und SPD-Wähler vom Urnengang abzuhalten.

Im Augenblick spricht vieles dafür, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel erneut auf dieses Konzept setzt. Sie genießt ihren neuen Ruf als „Anführerin der freien Welt“und hält sich aus den Niederunge­n der Innenpolit­ik fern. Auch mit dem Wahlprogra­mm lässt sie sich Zeit. Das funktionie­rt. Ihr politische­s Stillhalte­n schadet Merkel nicht, auch weil sie von den Medien kaum attackiert wird, und so gesehen agiert Merkel taktisch klug. Sie wiegt ihre Wähler in Sicherheit und verschreck­t sie nicht.

Wenn der SPD-Parteitag nicht den großen Hype zurückbrin­gt, wird es für Schulz eng. Dann müsste schon etwas Außergewöh­nliches geschehen, dass seine Partei 15 Prozentpun­kte aufholt und zur Union aufschließ­t. Ansonsten wird er sich politisch warm anziehen müssen. In der Partei wird bereits diskutiert, wo die Messlatte für das politische Überleben des Parteivors­itzenden liegen muss. Er müsse wenigstens so viel wie Steinbrück holen, also 25,8 Prozent.

„Die Union hat kein Programm. Das werden die Wähler durchschau­en.“

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Martin Schulz sollte die SPD ins Kanzleramt tragen. Doch die anfänglich­e Zuversicht ist verflogen.

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