Ein Gerichtssaal, nur zum Trainieren
Einmal Verteidiger, dann Angeklagter oder auch Richter sein: Ein moderner Übungsraum für die juristische Praxis ermöglicht Grazer Studierenden Rollenspiele. Wo es gilt, Hemmungen abzubauen, werden keine Urteile gefällt.
GRAZ. Den aus amerikanischen Gerichtsfilmen bekannten Satz „Einspruch, Euer Ehren!“hört man hier nicht. Aber: Alles läuft genau so ab wie in einem österreichischen Gerichtssaal. Es gibt einen Streitfall, Angeklagte, Kläger, Beklagte, Richter, Plädoyers. Bloß Urteil wird keines gesprochen. Denn: Hier wird nur trainiert. Im ersten Moot-CourtRaum an einer österreichischen Universität üben Studierende an der Uni Graz den Ernstfall.
Vom Bundesadler, der über der Richterbank thront, bis zu den Mikrofonen für die Verteidiger und Staatsanwälte ist alles wie in einem Gerichtssaal. Studierende der Rechtswissenschaften können hier ihr erworbenes Wissen in einem authentischen Umfeld anwenden und Gerichtsluft schnuppern. „Bisher haben wir einen Seminarraum umfunktioniert oder Kooperationen mit Grazer Gerichten gesucht“, berichtet Ulfried Terlitza vom Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht.
Offiziell eröffnet wird der Gerichtssaal für Studierende erst im Oktober, eingeweiht wurde er kürzlich beim Bundesfinale des „Franz von Zeiller Moot Court aus Zivilrecht“. Der Initiator des neuen Moot-Court-Raums, Sascha Ferz, weiß um die Bedeutung des Raums, der nun fixer Bestandteil von Lehrveranstaltungen ist: „Die Studierenden bewegen sich dadurch im wirklichkeitsnahen Setting. Das baut anfängliche Hemmungen ab und verbessert den Start ins Berufsleben.“ Die angehenden Juristen übernehmen im „Trockentraining“verschiedene Rollen des Verfahrens, wie Ankläger, Verteidiger, Zeugen oder Sachverständige, agieren aber auch wie die Lehrenden als Richter. Welche Fälle verhandelt werden? „Wir anonymisieren und modifizieren Fälle, die uns vom Oberlandesgericht Graz zur Verfügung gestellt werden“, berichtet Ulfried Terlitza. Gerichtssaal-Kiebitze gibt es bei den Lehrveranstaltungen keine.
Ob Diebstahl, Erbschaftsstreit oder die Genehmigung einer Betriebsanlage – es gibt kaum ein Verfahren, das Studierende im Zuge ihres rechtswissenschaftlichen Studiums nicht trainieren können. Die Finanzierung (60.000 Euro) des Moot Courts ermöglichten 22 Sponsoren – öffentliche Institutionen, Firmen und Anwaltskanzleien.