Salzburger Nachrichten

Parteien sind auch an ihrer digitalen Verantwort­ung zu messen

Verantwort­ungsloser Einsatz von Social Media im Wahlkampf zerstört die demokratis­che Gesprächsg­rundlage.

- MEDIA THEK Peter Plaikner

Österreich erlebt den Beginn seines ersten Nationalra­tswahlkamp­fs im Schatten von Social Media. Oberflächl­ich dominiert zwar das Fernsehen mit bereits fixierten 45 Sommergesp­rächen, Duellen, Dreikämpfe­n und Elefantenr­unden. Doch so wie diese TV-Spektakel immer schon die Einordnung durch die Zeitungen benötigten, wird ihre Wirkung jetzt durch Facebook & Co. multiplizi­ert.

Dabei geht es um die Schöpfung von Parallelwi­rklichkeit­en. FPÖ-Getreue verbreiten seit Langem Artikel von unzensurie­rt.at und infodirekt.eu, SPÖ-Anhänger teilen nun Meldungen von kontrast-blog.at und politiknew­s.at, ÖVP-Sympathisa­nten geben vermehrt Inhalte von fass-ohne-boden.at weiter. Gegen diese Propaganda wirken sogar die einstigen Parteiblät­ter wie nach dem Reinheitsg­ebot der Objektivit­ät gebraut. Dennoch findet die Agitation im Tarnmantel der Informatio­n zuhauf Gläubige. Immer mehr Menschen schürfen nicht tiefer und vertrauen dem vermeintli­chen Ursprung Facebook so wie bisher nur Zeitung, Radio und Fernsehen.

Gegen das feinmaschi­ge gesetzlich­e Regelwerk, dem diese klassische­n Medien unterliege­n, wirken Social Media wie eine freie Wildbahn. Die viel zitierten Bots – fiktive Freunde, Fans und Follower, die computerge­neriert Kommentare verbreiten – sind nur die Spitze des Eisbergs. Nicht von ungefähr gibt es in Deutschlan­d bereits die Forderung nach ihrer Kennzeichn­ungspflich­t. Denn Bots haben die Präsidente­nwahl in den USA beeinfluss­t. Auch aufgrund der massiven Desinforma­tion via Facebook und Twitter durch Republikan­er und Demokraten ist dort die Polarisier­ung der Gesellscha­ft derart fortgeschr­itten, dass sie sich nicht einmal auf gemeinsame TatsachenG­rundlagen einigen kann.

Trotzdem sind in Österreich Politiker eine Ausnahme, die wie Kärntens Landeshaup­t- mann Peter Kaiser „klare Regeln für den Einsatz digitaler Wahlhelfer“fordern, um Manipulati­onen zu vermeiden. Die jeweils analogen Heerschare­n fahren ohnehin unverdross­en mit ihrer als Informatio­n getarnten Realitätsk­onstruktio­n fort. Social Media gelten parteiüber­greifend als Chance, herkömmlic­hen Medien zu entkommen. Während sich – ausgenomme­n die FPÖ – die Parteispit­zen zumindest im Stil zurückhalt­en, brechen ab der zweiten Funktionär­sreihe alle Dämme.

Eine solche Polarisier­ung wie in den USA gefährdet längst die gemeinsame demokratis­che Gesprächsb­asis. Wer Österreich regieren will, ist auch daran zu messen, ob er derartige Vorgangswe­isen fördert oder auch nur zulässt. Diese Nationalra­tswahl ist auch eine Abstimmung über das zynische Erfolgsmod­ell Trump.

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