Vom Erlebnis, sich zu verlesen
ICHwar leicht irritiert, als ich neulich auf der Autobahn an einem Hinweisschild vorbeifuhr. Stand da wirklich „Erlebnistäter“geschrieben? Möglich wär’s ja. Früher musste man den Kopf einziehen, wenn es hieß: „Jetzt kannst du was erleben!“Heutzutage verkauft sich nichts mehr ohne zumindest eine kleine Prise Erlebnis. Der Erlebnisurlaub wird im Erlebnishotel gebucht, nach der Erlebniswanderung hüpft man in den Erlebnispool und gönnt sich vorm Schlaf im Erlebnisbett noch ein Erlebnisessen.
Ich habe auch schon einmal statt „Erlebnisessen“versehentlich „Erlaubnisessen“gelesen. Das kommt der Realität sowieso in den meisten Fällen näher, fragt sich doch der gesundheits- und ernährungsbewusste Mensch vor jeder Mahlzeit: „Kann ich mir das eigentlich erlauben?“
Zum abenteuerlichen Erlebnis gerät bei so einem Dinner oft nur die Rechnung. Die Frage ist dann angebracht: Handelt es sich beim Abzocker-Wirt um einen Erlebnistäter? Sprich, kassiert der Schuft nicht nur kräftig ab, sondern empfindet dabei auch noch Vergnügen? Ich hörte, während ich vom ominösen Hinweisschild schon ein paar Kilometer entfernt war, förmlich die Schlagzeile vor meinem geistigen Ohr: „Die Polizei warnt vor dem zunehmenden Auftreten von Erlebnistätern in der Gastronomie.“Manche dieser übelmeinenden Figuren würden sich wohl auch noch zu Banden zusammenschließen. Eine besonders gefährliche Bande vermutete ich einmal, als ich von der Tather-Gang las. Wer ist wohl dieser Tather? Gibt es Phantombilder von ihm? Hängt sein Fahndungsfoto auf Polizeiwachstuben? Meine Sorge war unbegründet. Wieder ein Verleser, es ging gottlob nur um den Tat-Hergang.
Vor Gericht gestellt, könnte ein Erlebnistäter einem beleidigten Sachverständigen begegnen. Natürlich nur wenn er sich verliest. Obwohl man beeideten Sachverständigen nachsagt, sie seien sehr schnell beleidigt, wenn man an ihrem Sachverstand zweifelt.
Was meinen eigenen Verstand anging, hegte ich aber langsam auch Zweifel. Bis mir aufging, dass da nicht „Erlebnistäter“gestanden war, sondern „Erlebnistäler“. Und sollten sich dort Erlebnistäter herumtreiben, wäre Gästehaus garantiert. Gästehaus? Äh, natürlich Gänsehaut.