SCHÖNES WOCHENENDE
„Sie brauchen ja nur nachzuzählen“, hatte mir in der romantischen Nacht zuvor die Unbekannte süffisant ins Ohr, nein, geflüstert war es nicht, also: gesagt. Sie war auch nicht am, sondern im Ohr. Und die Romantik hatte weiß Gott nichts mit ihr zu tun.
Die Nacht war lau, Paris verströmte seinen ganzen Charme. Und die Stimme kam aus einem Ohrstöpsel, über den die Fahrt im offenen Doppeldecker begleitet und kommentiert wurde.
Beim Louvre sprach sie über Geschichte, Gegenwart und Bedeutung dieses Riesenmuseums. Eh klar. Und über die imposante Glaspyramide, die als Eingang dient. Die hatte der damalige Präsident François Mitterrand in den späten Achtzigern des vorigen Jahrhunderts errichten lassen. Der Bau war heftig umstritten. Er passe nicht in das historische Ensemble, hätten Kritiker gemeint, sagte die Stimme im Ohr. Um gleich darauf einen verschwörerischen Ton anzuschlagen: „Einige behaupteten, die Pyramide bestünde aus 666 Glasteilen. Und 666 sei die Zahl des Teufels. Woraus man schloss, dass Mitterrand ein Freimaurer gewesen sein muss.“Oh. Die offizielle Zahl sei hingegen 673, sagte sie. Und, siehe oben: „Sie brauchen ja nur nachzuzählen.“Was ich tags darauf versuchte. Ich kam nicht weit. Während ich mich mühsam dem ersten Hunderter näherte, stand ein fliegender Händler vor mir. 20, sagte er auf Englisch. Ich schüttelte den Kopf, zählte weiter nach oben, er laut nach unten. Als er bei fünf war, kaufte ich ihm den angebotenen Selfie-Stick ab. Das Zählen gab ich auf. Und überlasse es Peter Gnaiger, das Geheimnis der Freimaurer zu lüften.
Schönes Wochenende!