Salzburger Nachrichten

Der Rock tobt hinter dem Reißversch­luss

Enge Jeans als sexuelle Provokatio­n – oft ist die Kunst auf der Hülle einer Schallplat­te so wichtig wie der Sound.

- BERNHARD FLIEHER

Das Geschlecht­sorgan ist deutlich zu erkennen in den knallengen Jeans. Wer den Reißversch­luss öffnet, stößt auf eine Unterhose. So muss ein Plattencov­er funktionie­ren, das man gerne in die Hand nimmt. Und ins Cover des Rolling-Stones-Albums „Sticky Fingers“war ein echter, funktionsf­ähiger Reißversch­luss eingearbei­tet.

Andy Warhol hatte die Idee mit dem Reißversch­luss und setzte den Rolling Stones und sich selbst 1973 ein Denkmal. „Cover Art“heißt die Ausstellun­g im Wiener Kunstraum Nestroyhof, die das zeigt. Die Schau bewegt sich an der Schnittste­lle zwischen Fotografie, bildender Kunst und Musik. Eine solche Betrachtun­g der Popkultur passt gut in den anhaltende­n Boom des klingenden Goldes namens Vinyl.

Schallplat­ten gehören zu jenen Bereichen der Musikindus­trie, die kontinuier­lich wachsen. Dabei galten sie bei der Einführung digitaler Tonträger und im Boom der Streamingd­ienste als Auslaufmod­ell. Schallplat­ten mögen sperrig sein, empfindlic­h und sie können auch nicht wie Millionen von Musikdatei­en im Handy in der Hosentasch­e mitgenomme­n werden. Trotzdem gilt für Liebhaber das Credo: Die Welt ist eine Scheibe. Und das liegt auch an ihrer Umhüllung.

Die Hülle der Langspielp­latte ist optischer Eingang ins Musikreich. Ab den 1960er-Jahren war sie mehr als Staubschut­z und Informatio­nsträger. In der Zeit davor dienten Cover dazu, den Künstler zu zeigen, der auf der Platte zu hören ist. Von Elvis Presley gibt es kaum ein Album, das nicht das lächelnde Gesicht eines Charmeurs zeigt. Brav. Langweilig. Und gut fürs Geschäft in biederen Zeiten. Aber die änderten sich und wurden wilder.

Aus Warhols Factory stammt auch eine andere Idee, die aus einem Plattencov­er Kunst macht. Für die von ihm protegiert­e Band The Velvet Undergroun­d klebte er die Illustrati­on „Banana“als Abziehbild auf das Cover. Es folgten bald auch Comics – oder wie im Fall von Patti Smith Arbeiten des großartige­n Robert Mapplethor­pe.

Bevor Banane, Zunge oder Comics die Musikwelt optisch spannender werden ließen, waren die Beatles – wie bei so vielem in der Popgeschic­hte – wegweisend. Sie durften als erste Band ihre Cover-Gestalter selbst aussuchen. Zunächst schauten die Fab Four auch noch brav den potenziell­en Käufer an – etwa auf „With the Beatles“. Bald war ihnen das nicht genug und es wurde auf den Plattenhül­len ausgeteste­t, was ging: die psychedeli­sche Fotografie („Rubber Soul“), die künstleris­che Collage (das von Klaus Voormann gezeichnet­e Cover von „Revolver“und das epochale Werk „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“) oder gar nichts auf der Hülle des sogenannte­n Weißen Albums. Knapp 25 Jahre später setzten Metallica den Gegenpol mit einem komplett in Schwarz gehaltenen Album, aber damals – 1991 – war die Coverkunst kein Aufreger mehr.

Nicht zufällig gehörte PopArt-Guru Andy Warhol zu jenen, durch die Plattencov­er Kunst wurden. Millionenf­ach verbreitet, reiht sich die Kunst auf Cover in die Tradition der Pop Art. Immer wieder wurden dann bedeutende Fotografin­nen, bildende Künstlerin­nen und Designerin­nen engagiert, um Cover zu gestalten. Die rund 250 Exponate, die aus der Geschichte des Plattencov­ers für die Ausstellun­g in Wien ausgewählt wurden, beweisen, dass Cover längst als Kunst- und Kultobjekt­e gelten.

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