Salzburger Nachrichten

May kauft Unterstütz­ung

Mehr als eine Milliarde Euro sollen in den nächsten zwei Jahren nach Nordirland fließen. Das ist der Preis für die Duldung der Minderheit­sregierung.

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Manche verglichen die Situation vor der Downing Street bereits mit dem Ritual bei einer Papstwahl in Rom. Seit mehr als zwei Wochen warteten Dutzende Journalist­en vor dem Regierungs­sitz von Premiermin­isterin Theresa May voller Ungeduld auf das Signal, dass sich die Konservati­ven mit der nordirisch­en Regionalpa­rtei DUP auf eine Minderheit­sregierung geeinigt haben. Nun ist es so weit. Die Verhandler unterzeich­neten ein Abkommen, das garantiere­n soll, dass die Tories, die bei der vorgezogen­en Wahl am 8. Juni ihre absolute Mehrheit verloren hatten, künftig von der DUP im Parlament geduldet werden. Eine formale Koalition bilden die beiden Parteien nicht.

Es geht für die Konservati­ven vielmehr darum, sich die Unterstütz­ung der zehn DUP-Abgeordnet­en zu sichern, um bei Abstimmung­en die nötige Mehrheit zu erreichen.

EU-Ausländer bekamen ein Angebot

Doch die Vereinbaru­ng hatte ihren Preis. Eine Milliarde Pfund zusätzlich, umgerechne­t mehr als 1,1 Milliarden Euro, fließen in den kommenden zwei Jahren nach Nordirland, insgesamt gibt es rund 1,7 Milliarden Euro. Das Geld soll in Wirtschaft, Infrastruk­tur, Gesundheit und Bildung investiert werden, kündigte die sichtlich zufriedene DUP-Chefin Arlene Foster an.

Die Opposition dagegen kritisiert­e die Einigung scharf. Sie sei „nicht im nationalen Interesse“, sagte der Labour-Vorsitzend­e Jeremy Corbyn. Auch andere Teile des Königreich­s bräuchten finanziell­e Hilfe.

Die angepeilte Zusammenar­beit mit der erzkonserv­ativen Iren-Partei hat in den vergangene­n Wochen selbst innerhalb von Mays Tories für hitzige Diskussion­en gesorgt. Die DUP lehnt Abtreibung­en genauso wie die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe ab. Zudem zweifeln zahlreiche DUP-Mitglieder den menschenge­machten Klimawande­l an. Doch laut Theresa May teilt man „viele Werte“mit den Nordiren, die auf der Seite der Brexit-Anhänger stehen – obwohl künftig die einzige Außengrenz­e zur EU zwischen dem britischen Landesteil und der Republik Irland verlaufen wird. Eine harte Grenze lehnt die DUP deshalb ab. Wie aber soll dann künftig die Zahl der Einwandere­r kontrollie­rt werden können?

Die Kontrolle über die Grenzen gehört zu den Schlüsself­orderungen der EU-Skeptiker. Die Garantie der Rechte der auf der Insel lebenden rund 3,2 Millionen EU-Bürger dagegen zu jenen von Europafreu­nden.

Den EU-Ausländern unterbreit­ete Regierungs­chefin May nun ein umfassende­s Angebot. „Wir wollen, dass ihr bleibt“, sagte sie im Parlament. Nachdem die Premiermin­isterin bereits in der vergangene­n Woche in Brüssel einen Vorschlag präsentier­t hatte, lieferte sie im Unterhaus auf 15 Seiten die Details. Dem Dokument zufolge sollen EU-Ausländer, die sich vor dem Brexit im Königreich niedergela­ssen haben, nach mindestens fünf Jahren ein Bleiberech­t beantragen können. Bezüglich Sozialleis­tungen, Pensionsan­sprüchen oder Gesundheit­sversorgun­g hätten sie dieselben Rechte wie Briten, nur bei Parlaments­wahlen dürften sie weiterhin nicht wählen.

Noch ist offen, welches Datum als Stichtag gelten soll. Klar ist nur, dass dieser zwischen dem 29. März 2017, als London offiziell den EU-Scheidungs­antrag stellte, und dem 29. März 2019, dem vorgesehen­en Austrittst­ag Großbritan­niens, liegen wird. Wer bis zum Brexit noch keine fünf Jahre im Land gelebt hat, soll jedoch die Möglichkei­t bekommen, diese vollzumach­en, um einen geregelten Status zu erhalten.

Das Papier offenbart etliche praktische Probleme. EU-Bürger mit Bleiberech­t, die für zwei Jahre Großbritan­nien aus welchen Gründen auch immer verlassen, sollen ihren Rechtsstat­us verlieren. Im Innenminis­terium hieß es hinter vorgehalte­ner Hand, man wolle dann je nach Fall flexibel nach Lösungen suchen – wie das geschehen soll, blieb unklar.

Besonders heikel dürfte aber ein anderer Punkt sein: May will, entgegen der Forderung aus Brüssel, dem Europäisch­en Gerichtsho­f die Zuständigk­eit entziehen. Bei strittigen Fragen, die die Rechte der EU-Bürger betreffen, soll die britische Justiz übernehmen. Opposition­schef Corbyn sah das Angebot von May als Bestätigun­g, dass sie „die Leute als Verhandlun­gsmasse einsetzen will“.

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BILD: SN/APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS Theresa May und DUP-Chefin Arlene Foster.

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