Salzburger Nachrichten

Von einem, der den Souffleurk­asten vorzieht

Eigentlich ist Alexander Schallenbe­rg einer von acht Sektionsch­efs im Wiener Außenminis­terium. Aber der Europa-Experte ist mehr als das.

- MONIKA.GRAF@SALZBURG.COM

Als Alexander Schallenbe­rg vor Kurzem in einer TV-Diskussion als „enger Berater von Außenminis­ter Sebastian Kurz“vorgestell­t wurde, wollte er das nicht so stehen lassen. „Jeder Sektionsch­ef ist ein enger Berater des Außenminis­ters“, korrigiert­e der Leiter der Sektion „Europa“im Außenminis­terium etwas kokett. Doch auch wenn er das gern heruntersp­ielt, ganz die gleiche Rolle wie seine sieben Sektionsch­efskollege­n spielt Schallenbe­rg, Spross einer Diplomaten­familie mit adeligem Hintergrun­d, nicht.

Wie zum Beweis läutet sein Handy an diesem Morgen beim Frühstück im Café Autriche, der Pressebar im Ratsgebäud­e in Brüssel, besonders häufig. Beim EU-Gipfel geht es auch um Migration, das heißeste Thema im heimischen Wahlkampf – entspreche­nd viel gibt es abzustimme­n. Schallenbe­rg entschuldi­gt sich mehrmals, verlässt den Tisch, um zu telefonier­en. „Wenn es um Europa-Themen geht, werde ich immer wieder gefragt“, sagt der 47-jährige Europarech­tsspeziali­st, der auch die EU-Linie des Außenminis­teriums mitgeformt hat. Er war von 2000 bis 2005 Leiter der Rechtsabte­ilung der österreich­ischen EU-Vertretung in Brüssel und hat seit damals exzellente Kontakte in der Stadt. „Eine lustige Zeit“, sagt er heute – es herrschte Aufbruchst­immung, Russland und die Türkei rückten näher, das europäisch­e Lebensmode­ll schien überlegen. Danach kam die Ernüchteru­ng.

2006 holte die damalige Außenminis­terin Ursula Plassnik den parteilose­n EU-Experten – der einst selbst mit dem Journalist­enberuf geliebäuge­lt hatte – als Pressespre­cher. Er blieb es auch bei Plassniks Nachfolger Michael Spindelegg­er und wurde zudem Vizekabine­ttchef. Sebastian Kurz machte ihn 2013 zum Leiter der „strategisc­hen außenpolit­ischen Planung“im Ministeriu­m, mit der Vorgabe, die Außenpolit­ik klarer auszuricht­en.

Seine Vorgeschic­hte und der neue Job waren eine zu 100 Prozent sichere Methode, sich im Ministeriu­m nicht allzu viele Freunde zu machen – auch wenn Schallenbe­rg das nie so sagen würde. In dieser Phase zählte er zum engsten Kreis um Kurz. Mag sein, dass der Minister seine vergleichs­weise lockere Art und sein Ta- lent, komplizier­te Sachverhal­te einfach zu erklären, schätzt und gern nutzt: Etwa, dass moderne Diplomatie kein Austausch von Protokolle­n ist, sondern Interessen­vertretung. Dass man über Europa heute so reden sollte wie über Österreich, pragmatisc­h und realistisc­h. Dass das, was die EU mit der Türkei macht, heuchleris­ch ist.

Ist Schallenbe­rg seine Karriere quasi in den Schoß gelegt worden? Nein, sagt er. Viele Kinder von Diplomaten hassten dieses Leben, die Umzüge, die vielen Schulwechs­el, sagt der Spitzendip­lomat, der in Bern geboren und in Indien, Spanien und Paris – alles Botschafte­rstationen seines Vaters – aufgewachs­en ist. Es ist ein Beruf, der der Familie viel abverlangt, wie der geschieden­e Vater von vier Kindern aus eigener Erfahrung weiß. Gerade weil er selten um eine klare Meinung verlegen ist, zieht Schallenbe­rg „den Souffleurk­asten“vor: „Das Spielfeld der Diplomatie ist die zweite Reihe.“

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Monika Graf

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