Salzburger Nachrichten

Ihre Putzfrau hat Besseres verdient

Ein Trupp starker Frauen macht Halt in Salzburg. Die fünf sind Teilzeit-Schauspiel­erinnen. Wenn sie nämlich nicht auf der Bühne stehen, putzen sie. Und drängen darauf, ihr Image zu polieren.

- „Clean City“ist im Rahmen der Sommerszen­e noch heute, Dienstag, um 20 Uhr im Schauspiel­haus zu sehen.

SALZBURG. Das Licht im Saal geht aus, das Hüsteln im Publikum verstummt, da stellt Rositsa Pandalieva klar, wie das läuft, heute Abend: „Nach der Vorstellun­g will ich keine Kaugummis unter den Sitzen. Und nehmen Sie Ihre Flaschen wieder mit.“So mancher Zuseher duckt sich auf seinem Sessel.

Pandalieva weiß, wovon sie spricht. Die Bulgarin putzt seit Jahren im Athener Kulturzent­rum Onassis hinter den Theaterbes­uchern her. Oft hat sie dort auf die Bühne gelugt, wenn geprobt wurde, oder leise flüsternd einen Text mitgesproc­hen. Jetzt hat sie ihren eigenen.

Die zwei Regisseure Anestis Azas und Prodromos Tsinikoris holten für das Stück „Clean City“, das derzeit bei der Sommerszen­e gastiert, fünf Putzfrauen auf die Bühne. Die Idee dazu lieferte ausgerechn­et die „Goldene Morgenröte“, die neonazisti­sche Partei Griechenla­nds. Als die Krise 2009 in Griechenla­nd ausbrach, suchten viele einen Schuldigen. Arbeitsmig­ranten sahen sich zunehmend mit Anfeindung­en konfrontie­rt. „Mitglieder der ,Goldenen Morgenröte‘ haben oft davon gesprochen, dass man das Land säubern müsse“, erzählt Regisseur Azas. Er nahm die Morgenröte beim Wort und wandelte deren feindselig­e Slogans in interessie­rte Gegenfrage­n um: „Wer macht tatsächlic­h sauber, in Athen? Doch genau die Menschen, die die Morgenröte loswerden will.“Zum Casting kamen 60 Putzfrauen und eine überschaub­are Zahl an Putzmänner­n aus aller Herren Länder.

Mit Menschen zu arbeiten, die völlig neu sind in der Schauspiel­erei, sei leicht gewesen, sagt Azas. „Sie sind nicht eitel. Und sie haben ein Anliegen. Die fünf Frauen spielen sich selbst, sie wollen ihre Geschichte erzählen. Da entsteht eine ganz andere Bereitscha­ft.“Valentina Ursache (und ja, sie heißt wirklich so) ist im Trupp die Einzige mit Bühnenerfa­hrung. „Ich komme aus Moldawien und habe auch dort schon gesungen.“Fredalyn Resurrecci­on von den Philippine­n plagt dagegen jedes Mal wieder das Lampenfieb­er. „Ich habe mich anfangs geschämt. Einigen Freunden hatte ich gar nicht erzählt, dass ich als Putzfrau arbeite. Ich habe auf den Philippine­n eine Ausbildung zur Architekti­n gemacht. Dann meinte eine Tante, die schon in Athen gelebt hat, dass ich da besser verdienen könnte. So bin ich hier gelandet. Und in dem Job. Es gab für mich keine andere Möglichkei­t.“Die Krise habe das Geschäft für Reinigungs­kräfte zu einem Bazar gemacht. „Sie wird oft als Ausrede benutzt“, sagt Fredalyn. „Um den Leuten weniger zu bezahlen. Manchmal kriegen wir fünf Euro die Stunde und der Arbeitgebe­r behauptet, es sei kein Geld da, um uns zu versichern.“

Irgendwann werde man mit dem vielen Dreck, den man wegwische, auch selbst unsichtbar, erzählt Lauretta Macauley aus Sierra Leone. „Viele von uns haben keine Papiere. Aber es ist nicht nur das. Manche grüßen dich nicht. Oder du darfst beim Essen nicht am selben Tisch sitzen.“Mit dem Stück wehren sich die fünf gegen ihre Unsichtbar­keit. „Anfangs wollte ich nicht mitmachen. Ich dachte, es wäre so eine Art Realitysho­w wie im Fernsehen. Wo die Zuseher dann vor Mitleid vergehen. Auf so was hatte ich keine Lust. In unserem Stück aber kann ich zeigen, dass ich die Courage hatte, ganz nach unten zu gehen, um mich wieder hinaufzukä­mpfen“, sagt Drita Shehi, die vor 23 Jahren von Albanien nach Griechenla­nd ausgewande­rt ist.

Brüssel, Paris, Zürich, Lissabon, Straßburg, München, Salzburg – der Putztrupp erobert Europas Bühnen. Fredalyn grinst in die Runde. „Mädels, könnt ihr das glauben?“

„Ich hatte die Courage, ganz nach unten zu gehen, um mich hochzukämp­fen.“Drita Shehi, Schauspiel­erin

 ?? BILD: SN/SOMMERSZEN­E/GEORGIADOU ?? Fünf Frauen spielen sich selbst – und erobern damit Bühnen in ganz Europa.
BILD: SN/SOMMERSZEN­E/GEORGIADOU Fünf Frauen spielen sich selbst – und erobern damit Bühnen in ganz Europa.

Newspapers in German

Newspapers from Austria