„Es gibt genug qualifizierte Frauen für Aufsichtsräte“
Der Ziegelproduzent Wienerberger oder die Erste Group brauchten kein Gesetz für ein Drittel Frauen in ihren Kontrollgremien. Sie sind von deren Arbeit überzeugt. Für andere kommt nun Zwang per Quote.
Nun kommt sie also doch: die Frauenquote für Aufsichtsräte. Morgen, Mittwoch, soll das Parlament den Gesetzesentwurf absegnen, wonach künftig mindestens 30 Prozent aller Mitglieder in einem Aufsichtsrat Frauen sein müssen. Das gilt für börsenotierte Unternehmen und solche, die mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen. Bereits im Jänner 2018 soll dies bei Neubesetzungen Pflicht sein, hält man sich nicht daran, bleiben Aufsichtsratssitze leer. Rund 200 heimische Unternehmen dürften von der Regelung betroffen sein.
„Wir haben diese qualifizierten Frauen nicht.“Das ist das am häufigsten verwendete Argument, wenn man mit Entscheidungsträgern darüber redet, warum sie keine oder nur wenige Frauen in ihre Kontrollgremien schicken. In Österreichs ATX-Unternehmen sind gerade einmal 18 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder Frauen.
Michaela Kern, Leiterin des Aufsichtsratsund Führungskräfteprogramms „Zukunft.Frauen“von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Wirtschaftsministerium, kontert. „Natürlich gibt es genug qualifizierte Frauen, ich kann Ihnen aus dem Stand 170 bestens geeignete Frauen nennen, die ich persönlich kenne“, sagt sie. Das Problem sei, dass die hoch qualifizierten Frauen noch immer wenig sichtbar seien. Frauen seien zwar immer besser vernetzt, aber eben noch nicht gut genug. „Denn eine Aufsichtsratsbesetzung hat nicht nur etwas mit Kompetenz, sondern auch mit Vertrauen zu tun“, sagt Kern. Hier sieht die Wirtschaftsberaterin auch die Schwäche von Datenbanken, wie sie das „Zukunft.Frauen“-Programm hat. Mittlerweile sind dort 530 qualifizierte Frauen aufgelistet. „Aber ich verstehe, wenn Entscheidungsträger nicht in Datenbanken suchen wollen“, sagt Kern. Hilfe könnten Personen wie sie selbst, Institutionen wie die Industriellenvereinigung oder aktive Aufsichtsrätinnen bieten, die infrage kommende Frauen gut kennen und diese vernetzen können. „Wer wirklich sucht, der findet.“Vom neuen Gesetz erhofft sich Kern, dass das Thema stärker in den Fokus rückt. „Denn wir wissen, dass Frauen zusätzliche Blickwinkel in Aufsichtsräte bringen und die Gremien effizienter machen.“So sieht das auch Friedrich Rödler, Aufsichtsratschef der Erste Group, eines von vier ATX-Unternehmen in Österreich, die die 30Prozent-Quote schon jetzt erreichen. „Die Frauen bei uns sind unglaublich engagiert, extrem fachkundig und ausgewiesene Expertinnen“, sagt er. Durch Frauen im Aufsichtsrat würden die Perspektiven breiter, sie ließen sich nicht nur von reinen Zahlen leiten. Rödler ist überzeugt, dass man auch abseits der ohnehin bekannten Aufsichtsrätinnen genug qualifizierte Frauen findet. Allerdings bezweifelt er, dass mehr Frauen in Aufsichtsräten auch bedeuten, dass im operativen Bereich mehr Frauen in die Führung kommen. Hier wären gezielte Maßnahmen wichtig. Rödler hätte sich beim Gesetz für Aufsichtsräte auch mehr Fantasie gewünscht, etwa dass die Vergütungen in Unternehmen, die die Quote erfüllen, komplett steuerlich abzugsfähig sind.
Der Ziegelriese Wienerberger hat trotz Männerbranche mit Regina Prehofer nicht nur eine Aufsichtsratschefin, sondern erfüllt auch ohne Gesetz jetzt schon die Quote. Prehofer erzählt, dass vor drei Jahren bei der gezielten Suche nach einer internationalen Aufsichtsrätin so viele Top-Kandidatinnen in die engere Auswahl kamen, dass man zwei Frauen nahm und das Gremium um eine Person erweitert hat.
Die Hauptversammlung sei von den neuen Frauen geradezu begeistert gewesen, sagt Prehofer. Die Französin Caroline Grégoire Sainte Marie und die Schweizerin Myriam Meyer brächten unheimlich viel Expertise und Know-how ein, das man vorher nicht gehabt habe. Für Wienerberger sei es zudem wichtig, beim Thema Frauen Vorbild zu sein und dessen Wichtigkeit aufzuzeigen. Prehofers Botschaft: „Es ist nicht schwierig, die Frauen für Aufsichtsräte zu finden.“
Das wird Patrick Prügger, Geschäftsführer der B&C Industrieholding mit Kernbeteiligungen bei Amag, Lenzing und Semperit, gern hören. Denn was Aufsichtsrätinnen anbelangt, hat man großen Nach- holbedarf. Man lege schon geraume Zeit bei Neubesetzungen großen Wert auf Diversität, dazu will Prügger aber nicht nur das Geschlecht zählen. „Diversität bringt Mehrwert“, davon ist er überzeugt. Die Frauenquote beginne aber am falschen Ende, meint er. Man müsse vielmehr danach trachten, dass Mädchen und junge Frauen technische Ausbildungen machten und Betriebe eine Kultur entwickelten, die Frauen entspreche. Im Kampf um die Talente sei dies ohnehin unabdingbar. Jedenfalls müssten sich die Aufsichtsräte in Österreich professionalisieren, da gehöre das Frauenthema dazu, sagt Prügger. Den eigenen Betrieben habe man „Ziele auf Zeitachsen“vorgegeben.
Beschränkte Zeiträume, sprich eine Befristung der Quote für zehn Jahre, hätte sich Wilhelm Rasinger, Präsident des Interessenverbandes für Anleger und selbst Aufsichtsrat, gewünscht. Er kritisiert auch, dass man Baukonzerne geschont habe, indem das Gesetz nur für Betriebe gilt, die insgesamt mindestens 20 Prozent Frauen beschäftigen.
Glücklich ist hingegen Christina Wieser, Studienautorin des Arbeiterkammer-Management-Reports. Sie sieht eine langjährige Forderung erfüllt. Dass Quoten wirken, zeigt Deutschland. 2015 lag der Frauenanteil in Aufsichtsräten in DAX-Unternehmen bei 26,8 Prozent, inzwischen sind es 30,2 Prozent.
„Mit Frauen kommt neues Know-how.“