Salzburger Nachrichten

Es geht nicht bloß um Unterschie­de

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Herr Barazon zeigte in seinem Artikel „Rot und Grün – die perverse Lobby der Privatschu­len“(SN, 16. 6.) auf, dass das Bestreben nach Einführung der Gesamtschu­le ideologisc­h motiviert ist und einer sachlichen Grundlage entbehrt. Dies hat eine polemische Reaktion von Harald Walser – dem Bildungssp­recher der Grünen – ausgelöst. Hinter Barazons Ausführung­en stecke das verborgene Motiv, „Klassenunt­erschiede“beibehalte­n zu wollen. – Für das Funktionie­ren von Gesamtschu­len muss neuerlich Südtirol als Beispiel herhalten, das im Vergleich zu Nordtirol schulisch besser abschneide. Gehe es doch beide Male um Tiroler. Warum z. B. kein Vergleich der österreich­ischen Schulen mit denen von Nordrhein-Westfalen? Man sucht sich zum Vergleich das aus, was einem am besten in den Kram passt. Ein in Aachen lehrender Kollege hat seine Kinder in das benachbart­e Belgien zur Schule geschickt, weil das Schulnivea­u in NordrheinW­estfalen so mies ist. Dies hat nicht zuletzt dort zur Wahlnieder­lage der SPD bei den letzten Landtagswa­hlen geführt. Warum schickte der Kollege die Kinder nach Belgien? Dort gibt es eine deutsche Minderheit, die zwecks Erhaltung ihres Volkstums darauf achtet, dass die Schulen Niveau halten. Bekanntlic­h gibt es auch in Südtirol – gemessen am italienisc­hen Gesamtstaa­t – eine deutsche Minderheit. Auch sie legt Wert darauf, ihre kulturelle Eigenart zu erhalten. Bleibt das dem Vorarlberg­er Walser verborgen? – Während des Faschismus in Italien gab es in Südtirol deutschspr­achige Katakomben­schulen.

Erfolgreic­he Gesamtschu­lsysteme bringen laut Walser „wesentlich mehr Jugendlich­e in den Spitzenber­eich und haben im Vergleich zu Österreich nur einen Bruchteil an Risikoschü­lerinnen und -schülern“. – Wie wäre es damit, diese Erfolgsmod­elle an den bisherigen Hauptschul­en auszuprobi­eren und daneben die Langzeitfo­rm der Gymnasien zu belassen? Diese überlegene­n Erfolgsmod­elle müssten doch automatisc­h dazu führen, die Gymnasien austrockne­n zu lassen.

Für Walser geht es aber darum, „Klassenunt­erschiede“auszugleic­hen. – Das kostenlose österreich­ische Schulwesen weist eine räumliche Dichte auf, die es praktisch fast allen Eltern ermöglicht, ihre Kinder in die einschlägi­gen Schulen zu schicken. Dies unabhängig von deren Einkommen.

Noch zu den Klassenunt­er- schieden: Ich habe einen Arbeitskre­is koordinier­t, dessen Damen und Herren ausschließ­lich österreich­ische Spitzenjur­isten waren, lauter ordentlich­e Universitä­tsprofesso­ren, darunter zwei Höchstrich­ter (OGH und VfGH). Von den sieben männlichen Mitglieder­n hatte nur einer einen Elternteil, der Akademiker war, und einer einen Maturanten. Die Eltern der Übrigen – so auch die meinen – hatten bloß Pflichtsch­ulabschlus­s. em. o. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Reischauer, 4203 Altenberg

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