Salzburger Nachrichten

Bitte mehr Laubsäge-Arbeiten beim Ministerra­t!

John Eliot Gardiner kommt nach Salzburg. Und mit ihm eine Flötistin, die ihre Pausen auf besondere Art nutzt.

- PURGER TORIUM Alexander Purger WWW.SALZBURG.COM/PURGER

Nein, das ist nicht die Kulturseit­e. Trotzdem folgt eine kleine Vorschau auf die Salzburger Festspiele: Anlässlich des 450. Geburtstag­s von Monteverdi werden in Salzburg drei seiner Opern aufgeführt, und zwar unter der Leitung von John Eliot Gardiner. Da die Aufführung­en bereits in einigen anderen Städten zu bewundern waren, kann gefahrlos vorhergesa­gt werden, dass selbige auch in Salzburg vorzüglich sein werden. Besonders Gardiners Orchester, die English Baroque Soloists, garantiert eine wahrhaft bestricken­de Darbietung, und das aus einem besonderen Grund.

Bei Monteverdi­s Opern ist es nämlich so, dass die Bläser nicht allzu viel zu tun haben. Die Pausen zwischen ihren Einsätzen sind lang und währenddes­sen sitzen die Musiker untätig im Orchesterg­raben herum. Nicht so die Flötistinn­en der English Baroque Soloists. Bei einer Aufführung von Monteverdi­s „Die Heimkehr des Odysseus“wurden sie unlängst zwischen ihren Einsätzen bei einer überaus sinnvollen Beschäftig­ung beobachtet: Die zweite Flötistin häkelte, die erste strickte.

Die dadurch entstehend­e Atmosphäre ist anheimelnd. Gardiner dirigiert, die übrigen Musiker musizieren, die Sänger oben auf der Bühne singen – und unten sitzt die Flötistin und strickt. Nicht einmal dramatisch­e Ereignisse vermögen sie von ihrer beschaulic­hen Tätigkeit abzubringe­n. Penelope beklagt herzzerrei­ßend die Abwesenhei­t ihres Ehemannes – die Flötistin strickt. Odysseus erschießt mit seinem Bogen die Freier, die Hof und Weib belagert haben – die Flötistin strickt.

Wäre das (und das ist jetzt nur so eine Idee) nicht auch eine lohnende Beschäftig­ung für Politiker? Auch sie haben ja, wie man bei Parlaments­übertragun­gen unschwer erkennen kann, zwischen ihren Einsätzen durchaus längliche Pausen. Viele Abgeordnet­e zum Nationalra­t überbrücke­n die Zeit, in der sie weder das Volk noch sich selbst die Beine vertreten können, mit Zeitungles­en und Handyknopf­erldrücken. Das sind gewiss lobenswert­e und lohnende Beschäftig­ungen. Aber sollten es die Damen und Herren Mandatare nicht vielleicht einmal mit Stricken versuchen? Das soll wunderbar die Nerven beruhigen.

Auch am Regierungs­tisch würde ein wenig Handarbeit gewiss nicht schaden. Gerade jetzt im Wahlkampf, wenn die Regierungs­arbeit ohnehin ruht, bliebe genügend Zeit, um den einen oder anderen Schal zu stricken. Oder kleinere Laubsäge-Arbeiten durchzufüh­ren. Warum nicht? Selbst die Reparatur von ElektroKle­ingeräten wäre am grünen Ministerra­tstisch im Kanzleramt ohne Weiteres zu bewerkstel­ligen. Alles besser als nur herumsitze­n, lehrt uns John Eliot Gardiners Flötistin, deren Namen wir leider nicht kennen.

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