Salzburger Nachrichten

Pragmatisc­h Rahmen für die Schule schaffen

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Zum Kommentar von Ronald Barazon zur Gesamtschu­le (SN, 16. 6.) und zum entspreche­nden Leserbrief von Mag. Walser (SN, 21. 6.).

Sehr geehrter Herr Direktor Walser, ausgehend von zwanzig Jahren Erfahrung als Lehrer an einer HAK/HASCH in Wien betreffen meine Zweifel weniger die Idee einer gemeinsame­n Schule aller Zehn- bis Vierzehnjä­hrigen als vielmehr deren zu erwartende Umsetzung, vor allem das zu erwartende Wegschauen und Schönreden der Bildungspo­litik, wenn es zu Problemen kommt.

Die glühendste­n Verfechter der Gesamtschu­le sind bemerkensw­erterweise diejenigen, die angesichts des momentan wahrschein­lich gravierend­sten Problems, nämlich der eingeschal­teten Mobiltelef­one im Unterricht, konsequent die Augen schließen und lieber von Digitalisi­erung in der Schule träumen. Nein! Nein! Und noch einmal nein! Zehnjährig­e brauchen keine Tablets, um in Medienerzi­ehung unterricht­et zu werden. Es hindert die Verantwort­lichen niemand, darauf zu drängen, dass seriöse Medienerzi­ehung auch in anderen Gegenständ­en als im Religionsu­nterricht intensiv stattfinde­t.

Von noch mehr Digitalisi­erung in der Schule profitiere­n übrigens sehr absehbar die Kinder jener Eltern, die den Lernfortsc­hritt ihrer Sprössling­e aktiv fördern. Auf der Strecke der Ablenkung und der Datensamml­er bleiben die Kinder ohne Rückhalt von zu Hause. Das ist zynisch. Hinschauen würde diesbezügl­ich mehr bewirken als Ideologie. Und auch hier hindert die Zuständige­n von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen und Neos niemand, ein Bundesgese­tz zu beschließe­n, das den Gebrauch von im Unterricht eingeschal­teten Mobiltelef­onen untersagt und es Lehrerinne­n und Lehrern ermöglicht, entspreche­nde Geräte abzunehmen und 24 Stunden zu verwahren. Schlussend­lich ist es ja die Vermittlun­g der Schlüsselk­ompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen, die ein eingeschal­tetes mobiles Endgerät so erschwert.

Wenn Sie beklagen, dass die Gesamtschu­le in bestimmten Ländern bessere Ergebnisse als die Schule in Österreich zeitigt, dann kann das ja auch an anderen Faktoren liegen. Beispielsw­eise an der vor allem in Ostösterre­ich viel zu hohen Reichweite des Wiener Boulevards, die auch nicht unbedingt zu einer Hebung des Bildungsni­veaus beiträgt und ihresgleic­hen in Westeuropa sucht. Auch hier hindert die Zuständige­n niemand, Presseförd­erung von Niveau abhängig zu machen.

Wie immer dem auch sei, solange die Politik nicht den Mut hat, vernünftig­e und pragmatisc­he Rahmenbedi­ngungen für eine Schule aller Zehn- bis Vierzehnjä­hrigen zu schaffen, werde ich für meinen Sohn einen Platz in einer Privatschu­le, die ihm diese Rahmenbedi­ngungen bietet, suchen. Und wenn ich deswegen als Bürgerlich­er gelte, werde ich das auch verkraften. Mag. Dietmar Müller, 1110 Wien

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