Die Politik im Zoo
„Große Tiere“werden Paten von großen Tieren. Ein Vorgang zu beiderseitigem Vorteil.
WIEN. „Schau, der Strache!“– „Nein, Kinder, wir laufen jetzt nicht alle dort hinüber.“– Die Lehrerin hat alle Hände voll zu tun, um ihre Klasse im Zaum zu halten, als beim Eingang des Tiergartens Schönbrunn plötzlich Heinz-Christian Strache auftaucht. Genauer gesagt: HeinzChristian Strache mit seiner Frau Philippa, einem Leibwächter, zwei Stoffgiraffen und einem Pulk Kameraleuten. Das sieht man nicht alle Tage. „Klick“, machen Hunderte Handy-Kameras.
Weniger aufgeregt als die Schulkinder an ihrem Vorferien-Wandertag ist Dagmar Schratter. Die Direktorin des mehrfach zum besten Zoo Europas gekürten Tiergartens Schönbrunn ist es gewöhnt, dass Politiker kommen, um Tierpatenschaften zu übernehmen. Erst im Vorjahr war Michael Häupl hier, um Pate von „Schurli“, der Riesenschildkröte, zu werden.
Heute eben Heinz-Christian Strache. Welches Tier er sich ausgesucht hat, sollte eigentlich bis zuletzt ein Geheimnis bleiben, aber Stoffgiraffe – eh schon wissen. Die Menschentraube rund um den FPÖObmann bewegt sich also vom Zooeingang zum Giraffenhaus. Und damit auf politisch-historischen Boden: Vor sieben Wochen ist die neue, schöne Bleibe für die Giraffen eröffnet worden, und zwar vom ressortzuständigen Wirtschaftsminister. Der hieß damals, am 10. Mai, noch Reinhold Mitterlehner, aber nicht mehr lang. Am Vormittag eröffnete er das Giraffenhaus, zu Mittag erklärte er seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern.
„Wir wollen eine längerfristige Patenschaft sicherstellen“, scherzt Strache in Anspielung auf den raschen Abgang des damaligen ÖVPChefs. „Bei mir sind Stabilität und Verlässlichkeit gegeben.“
Und warum hat er sich ausgerechnet die Giraffen ausgesucht? Seine Frau und er hätten sich bei einem Zoospaziergang geradezu verliebt in die beiden jungen Netzgiraffen-Damen Fleur und Sofie, erzählt Strache. Die Tiere seien übrigens Geschwister. „Fleur erkennt man an der dunkleren Zeichnung“, weiß der FPÖ-Chef.
Und warum übernehmen Politiker überhaupt Tierpatenschaften in Schönbrunn? Darüber kann man nur Vermutungen anstellen: Weil es schöne Fotos in den Medien bringt. Weil Tierliebe immer gut ankommt. Und weil es einem guten Zweck dient. Denn für den Tiergarten Schönbrunn sind Tierpatenschaften eine wichtige Einnahmequelle. 3360 Euro kostet Strache die Giraffenpatenschaft für ein Jahr. Insgesamt hat der Zoo derzeit 400 Tierund Parkbankpaten, da kommt schon einiges an Geld zusammen.
Die Zootiere sind finanziell gestaffelt, wenn man so sagen darf. Am teuersten ist Premiumgruppe A mit Elefant, Nashorn und Großem Panda. Dann folgt Gruppe B mit Eisbär, Löwe und Tiger. Gruppe C umfasst etwa Zebra, Ameisenbär und Pinguin. In Schnäppchen-Gruppe D finden sich schließlich Fische, Reptilien und Amphibien. Sie sind schon um 40 Euro pro Monat als Patentiere zu haben.
Giraffen gehören übrigens zu Gruppe B. Und die beliebtesten Patentiere überhaupt sind die Kattas mit ihren lustigen schwarz-weiß geringelten Schwänzen.
Tierpaten – ob Politiker oder Nichtpolitiker – sind völlig frei bei der Auswahl ihres Tieres. Der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser bekam bei einem Regierungsausflug nach Schönbrunn im Jahr 2000 ausgerechnet einen Hamster zugeteilt. Warum, weiß man nicht. Es war derselbe Ausflug, bei dem Susanne Riess die Patenschaft für eine Kobra übernahm. – Ein Akt der Selbstironie, denn die damalige Vizekanzlerin trug FPÖintern den Spitznamen „Königskobra“, seit sie im Auftrag ihres Parteichefs Jörg Haider die halbe Salzburger FPÖ-Spitze politisch gemeuchelt hatte.
Später übernahm Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die Patenschaft für einen Löwen und sein Nachfolger Werner Faymann eine für ein Kugelgürteltier. Über die Hintergründe dieser beiden Auswahlen ist nichts bekannt. Der heutige Tiroler Landeshauptmann Günther Platter wählte 2006 als Verteidigungsminister die Patentiere des Bundesheeres offenbar nach dem Namen aus: Panzernashörner.
Der BZÖ-Abgeordnete Gerald Grosz wurde Tierpate aufgrund eines Zwischenrufs. Bei einer Rede im Parlament hatte ihn ein gegnerischer Mandatar als „Krokodil“tituliert, und zwar mit dem erklärenden Nachsatz: „Große Pappen, kleines Hirn!“Grosz übernahm daraufhin eine Krokodilpatenschaft.
Ganz genau weiß man auch, warum der frühere Sozialminister, Vizekanzler und FPÖ-Chef Herbert Haupt in Schönbrunn die Patenschaft für „Kimbuku“übernahm. Mitarbeiter seines Kabinetts hatten gewisse äußere Ähnlichkeiten zwischen ihrem Chef und dem Flusspferdbaby erkannt.
Auch Strache sieht eindeutige Parallelen zwischen sich und seinen Patentieren: „Giraffen haben den Weit- und Überblick. Und sie wollen hoch hinaus“, sagt er.
Fleur und Sofie stammen übrigens aus dem Zoo von Rotterdam, haben also Migrationshintergrund. Aber das Original Tiroler Tuxer Rind war schon weg. Es wird von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter be-patet.