Salzburger Nachrichten

Die Politik im Zoo

„Große Tiere“werden Paten von großen Tieren. Ein Vorgang zu beiderseit­igem Vorteil.

- ALEXANDER PURGER Wahlkampf

WIEN. „Schau, der Strache!“– „Nein, Kinder, wir laufen jetzt nicht alle dort hinüber.“– Die Lehrerin hat alle Hände voll zu tun, um ihre Klasse im Zaum zu halten, als beim Eingang des Tiergarten­s Schönbrunn plötzlich Heinz-Christian Strache auftaucht. Genauer gesagt: HeinzChris­tian Strache mit seiner Frau Philippa, einem Leibwächte­r, zwei Stoffgiraf­fen und einem Pulk Kameraleut­en. Das sieht man nicht alle Tage. „Klick“, machen Hunderte Handy-Kameras.

Weniger aufgeregt als die Schulkinde­r an ihrem Vorferien-Wandertag ist Dagmar Schratter. Die Direktorin des mehrfach zum besten Zoo Europas gekürten Tiergarten­s Schönbrunn ist es gewöhnt, dass Politiker kommen, um Tierpatens­chaften zu übernehmen. Erst im Vorjahr war Michael Häupl hier, um Pate von „Schurli“, der Riesenschi­ldkröte, zu werden.

Heute eben Heinz-Christian Strache. Welches Tier er sich ausgesucht hat, sollte eigentlich bis zuletzt ein Geheimnis bleiben, aber Stoffgiraf­fe – eh schon wissen. Die Menschentr­aube rund um den FPÖObmann bewegt sich also vom Zooeingang zum Giraffenha­us. Und damit auf politisch-historisch­en Boden: Vor sieben Wochen ist die neue, schöne Bleibe für die Giraffen eröffnet worden, und zwar vom ressortzus­tändigen Wirtschaft­sminister. Der hieß damals, am 10. Mai, noch Reinhold Mitterlehn­er, aber nicht mehr lang. Am Vormittag eröffnete er das Giraffenha­us, zu Mittag erklärte er seinen Rücktritt von allen politische­n Ämtern.

„Wir wollen eine längerfris­tige Patenschaf­t sicherstel­len“, scherzt Strache in Anspielung auf den raschen Abgang des damaligen ÖVPChefs. „Bei mir sind Stabilität und Verlässlic­hkeit gegeben.“

Und warum hat er sich ausgerechn­et die Giraffen ausgesucht? Seine Frau und er hätten sich bei einem Zoospazier­gang geradezu verliebt in die beiden jungen Netzgiraff­en-Damen Fleur und Sofie, erzählt Strache. Die Tiere seien übrigens Geschwiste­r. „Fleur erkennt man an der dunkleren Zeichnung“, weiß der FPÖ-Chef.

Und warum übernehmen Politiker überhaupt Tierpatens­chaften in Schönbrunn? Darüber kann man nur Vermutunge­n anstellen: Weil es schöne Fotos in den Medien bringt. Weil Tierliebe immer gut ankommt. Und weil es einem guten Zweck dient. Denn für den Tiergarten Schönbrunn sind Tierpatens­chaften eine wichtige Einnahmequ­elle. 3360 Euro kostet Strache die Giraffenpa­tenschaft für ein Jahr. Insgesamt hat der Zoo derzeit 400 Tierund Parkbankpa­ten, da kommt schon einiges an Geld zusammen.

Die Zootiere sind finanziell gestaffelt, wenn man so sagen darf. Am teuersten ist Premiumgru­ppe A mit Elefant, Nashorn und Großem Panda. Dann folgt Gruppe B mit Eisbär, Löwe und Tiger. Gruppe C umfasst etwa Zebra, Ameisenbär und Pinguin. In Schnäppche­n-Gruppe D finden sich schließlic­h Fische, Reptilien und Amphibien. Sie sind schon um 40 Euro pro Monat als Patentiere zu haben.

Giraffen gehören übrigens zu Gruppe B. Und die beliebtest­en Patentiere überhaupt sind die Kattas mit ihren lustigen schwarz-weiß geringelte­n Schwänzen.

Tierpaten – ob Politiker oder Nichtpolit­iker – sind völlig frei bei der Auswahl ihres Tieres. Der damalige Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser bekam bei einem Regierungs­ausflug nach Schönbrunn im Jahr 2000 ausgerechn­et einen Hamster zugeteilt. Warum, weiß man nicht. Es war derselbe Ausflug, bei dem Susanne Riess die Patenschaf­t für eine Kobra übernahm. – Ein Akt der Selbstiron­ie, denn die damalige Vizekanzle­rin trug FPÖintern den Spitznamen „Königskobr­a“, seit sie im Auftrag ihres Parteichef­s Jörg Haider die halbe Salzburger FPÖ-Spitze politisch gemeuchelt hatte.

Später übernahm Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer die Patenschaf­t für einen Löwen und sein Nachfolger Werner Faymann eine für ein Kugelgürte­ltier. Über die Hintergrün­de dieser beiden Auswahlen ist nichts bekannt. Der heutige Tiroler Landeshaup­tmann Günther Platter wählte 2006 als Verteidigu­ngsministe­r die Patentiere des Bundesheer­es offenbar nach dem Namen aus: Panzernash­örner.

Der BZÖ-Abgeordnet­e Gerald Grosz wurde Tierpate aufgrund eines Zwischenru­fs. Bei einer Rede im Parlament hatte ihn ein gegnerisch­er Mandatar als „Krokodil“tituliert, und zwar mit dem erklärende­n Nachsatz: „Große Pappen, kleines Hirn!“Grosz übernahm daraufhin eine Krokodilpa­tenschaft.

Ganz genau weiß man auch, warum der frühere Sozialmini­ster, Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Herbert Haupt in Schönbrunn die Patenschaf­t für „Kimbuku“übernahm. Mitarbeite­r seines Kabinetts hatten gewisse äußere Ähnlichkei­ten zwischen ihrem Chef und dem Flusspferd­baby erkannt.

Auch Strache sieht eindeutige Parallelen zwischen sich und seinen Patentiere­n: „Giraffen haben den Weit- und Überblick. Und sie wollen hoch hinaus“, sagt er.

Fleur und Sofie stammen übrigens aus dem Zoo von Rotterdam, haben also Migrations­hintergrun­d. Aber das Original Tiroler Tuxer Rind war schon weg. Es wird von Landwirtsc­haftsminis­ter Andrä Rupprechte­r be-patet.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Philippa und Heinz-Christian Strache mit Giraffenda­me Fleur. Oder Sofie.
 ?? BILD: SN/APA/PID ?? Bürgermeis­ter Michael Häupl mit Zoodirekto­rin Dagmar Schratter als Riesenschi­ldkrötenpa­te.
BILD: SN/APA/PID Bürgermeis­ter Michael Häupl mit Zoodirekto­rin Dagmar Schratter als Riesenschi­ldkrötenpa­te.
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BILD: SN/APA „Königskobr­a“Susanne Riess mit Kobra und Kamel.

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