Salzburger Nachrichten

Ex-Rebellen fürchten um ihre Sicherheit

Kolumbiens FARC-Rebellen haben alle Waffen abgegeben. Die Zahl der politische­n Morde ist nach dem Friedenssc­hluss aber stark gestiegen.

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So absurd es klingt: 2017, das Jahr des Friedens mit den Rebellen der Revolution­ären Streitkräf­te Kolumbiens (FARC), wird zum tödlichste­n Jahr für Gewerkscha­fter, Menschenre­chtsaktivi­sten, Minderheit­envertrete­r und Führer linker Jugendorga­nisationen. Die 7000 Guerillero­s der FARC, die gestern, Dienstag, ihre Waffenabga­be vollendet haben, beobachten diese Entwicklun­g mit zunehmende­r Angst.

„Seit Unterzeich­nung des Friedensab­kommens vom 24. November ist die Zahl der Anschläge und Attentate stark gestiegen“, sagt Miguel Fernández, Vorsitzend­er der Menschenre­chtskoordi­nation im südwestlic­hen Departemen­t Cauca, wo es heuer schon 15 Tote gab. Die Gewalttate­n sollten die Befürworte­r des Abkommens einschücht­ern und verhindern, dass sich die Rebellen wie vorgesehen in eine politische Partei umwandeln und ihre Ziele auf demokratis­chem Wege verfolgten, betont Fernández.

Täter sind fast nur ultrarecht­e Todesschwa­dronen und neue paramilitä­rische Gruppen, aber auch die bekannten „Autodefens­as Unidas de Colombia“(AUC), die offiziell seit 2006 demobilisi­ert sind. In Pamphleten, die von den Paramilitä­rs verteilt oder versendet werden, heißt es, die Aktivisten der Zivilgesel­lschaft seien Unterstütz­er der „Terroriste­n der FARC“und würden „künftig in Massengräb­ern verscharrt, anstatt Politik zu machen“.

Einerseits agieren diese Todesschwa­dronen aus eigenem Antrieb, anderersei­ts handeln sie als bewaffnete­r Arm einflussre­icher Gruppen in Kolumbien. Es gibt viele Akteure, die aus den unterschie­dlichsten Gründen keinen Frieden wollen: Die einen hassen die FARC aus tiefstem Herzen und können nicht akzeptiere­n, dass es laut Friedensve­rtrag für ihre Kämpfer milde Strafen und für ihre künftigen Politiker garantiert­e Sitze im Parlament geben soll. Auch Großgrundb­esitzer sind nahezu geschlosse­n gegen das Abkommen von Havanna. „Sie sind überzeugt, dass damit das Privateige­ntum in Gefahr ist“, sagt Ariel Ávila, Vizedirekt­or der Stiftung Paz y Reconcilia­ción. Darüber hinaus fürchten die Oligarchen den Friedensve­rtrag, weil er viele Vorhaben zur ländlichen Entwicklun­g und Stärkung der Kleinbauer­n vorsieht, die ihre Privilegie­n beschneide­n.

Dabei haben eigentlich nur die Guerillero­s der FARC wirklich Grund zur Angst. Sie fürchten, dass sie nach Friedenssc­hluss und Entwaffnun­g ein ähnliches Schicksal erleiden könnten wie Mitte der Achtzigerj­ahre. 1985 wurde die Unión Patriótica als politische­r Ableger der FARC im Zuge der damaligen Friedensve­rhandlunge­n gegründet. Aber in den Folgejahre­n brachten Todesschwa­dronen rund 4000 Führer und Anhänger um. „Es bestand die Angst bei der politische­n Elite, dass der Kommunismu­s auf demokratis­chem Wege an die Macht kommt, und daher wurde Paramilitä­rs beauftragt, die politische Linke zu ermorden“, erinnert Ariel Ávila an das dunkle Kapitel kolumbiani­scher Politik. „Und viele haben genau das befürchtet, was wir jetzt sehen: dass Politiker auf lokaler Ebene die Gewalt als Mittel des politische­n Wettbewerb­s nutzen.“

Und was macht die Regierung von Friedensno­belpreistr­äger Santos? Sie bemüht sich, das Problem herunterzu­spielen und ihm die politische Komponente zu nehmen. Offiziell heißt es, die Morde würden von gewöhnlich­en Verbrecher­n verübt, und die Todesschwa­dronen werden verniedlic­hend „Bacrim“(kriminelle Banden) genannt. Der Präsident will die politische Dimension der Verbrechen nicht sehen, weil er sich eingestehe­n müsste, dass das Problem des Paramilita­rismus in Kolumbien nach wie vor besteht.

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BILD: SN/APA/AFP/RAUL ARBOLEDA Die FARC-Kämpfer haben ihre Waffen abgegeben und befürchten nun selbst Attentate.

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