Urteil: Asfinag muss 70.000 Euro zahlen
Ein Klein-Lkw durchbrach 2007 auf der Umfahrung Bischofshofen die Mittelleitwand und rammte ein Auto. OGH bestätigt nun Mithaftung der Asfinag.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Mai 2017 ist brisant wie glasklar:
Die Asfinag als Straßenerhalter trägt ein Mitverschulden an einem bereits zehn Jahre zurückliegenden Horrorunfall auf der nach wie vor als gefährlich geltenden Umfahrung Bischofshofen. Auf dem als Autobahn eingestuften Zubringer zur Tauernautobahn (A10) hatte am 20. Juli 2007 ein junger Lenker mit seinem Klein-Lkw die nur 50 Zentimeter hohe Mittelschutzwand aus Beton durchbrochen und war frontal in einen entgegenkommenden Pkw gekracht. Dessen Insassen, zwei Pongauer Familienväter (32 und 52), starben.
Der Lkw-Lenker – er war damals mit knapp 90 km/h statt der erlaubten 80 km/h gefahren – erhielt dann 2010 wegen fahrlässiger Tötung 2400 Euro Geldstrafe.
Im seinem jetzigen Entscheid – er hat nichts mit dem Strafprozess gegen den Lenker des KleinLkw (7,5 Tonnen) zu tun – stellt der OGH aber definitiv fest:
Die Asfinag trifft eine Mithaftung. Und zwar im Ausmaß von 25 Prozent der von der Haftpflichtversicherung des LkwLenkers geleisteten Schadenersatzzahlungen an die Hinterbliebenen der Opfer. Begründung: Die auf der Umfahrung errichtete Mittelschutzwand war – basierend auf einem Gutachten des Kfz-Sachverständigen Gerhard Kronreif – zu schwach dimensio- niert und hatte im konkreten Fall nicht der damals schon geltenden Europanorm entsprochen.
Hätte der Straßenerhalter eine damals schon gängige, normgerechte 80 Zentimeter hohe Stahlmittelschutzwand mit breiterem Sockel errichtet, hätte sie der Klein-Lkw nicht durchbrechen können. Fazit: Zehn Jahre nach dem Horrorunfall muss die Asfinag den Hinterbliebenen 70.000 Euro zahlen. Zuvor hatte die Haftpflichtversicherung 312.000 Euro an die Angehörigen bezahlt.
Bemerkenswert ist nicht nur, dass auf besagter Umfahrung bis heute die zu schwach dimensionierten Mittelschutzwände die jeweils zwei Fahrspuren (Richtung Bischofshofen bzw. zur A10) trennen. Die SN hatten zudem bereits 2007 die Pongauer Polizei zitiert, die sich schon vor dem Horrorunfall für drei statt vier Fahrstreifen ausgesprochen hatte, da diese dann breiter wären. Ein Überholen wäre dann in Fahrtrichtung Bischofshofen mit viel weniger Risiko möglich.
Dem OGH-Beschluss liegt ein 2012 eröffnetes Zivilverfahren zugrunde. Bauend auf das Kronreif-Gerichtsgutachten klagte die Versicherung des Lkw-Lenkers die Asfinag wegen Mithaftung im Ausmaß von 1:3. Zuvor war eine außergerichtliche Einigung mit der Asfinag gescheitert. Der Linzer Rechtsanwalt Klaus Helm vertrat die klagende Partei: „Sowohl das Landesgericht Salzburg als auch das Oberlandesgericht Linz gaben uns recht. Die anschließende außerordentliche Revision der Asfinag gegen die Urteile der Vorinstanzen wies der OGH nun zurück.“Sollte es auf der Umfahrung zu weiteren ähnlichen Unfällen kommen, sieht Helm mögliche strafrechtliche Folgen für die Asfinag: „Wenn eine Gefahrenlage aufrechterhalten wird, wäre bei einem ähnlichen Unfall wohl der Staatsanwalt am Zug.“Strafjuristen sehen das auf SN-Anfrage auch so: Passiert Ähnliches erneut, gebe es eine Prüfung in Richtung eines Fahrlässigkeitsdelikts.
Die SN konfrontierten die Asfinag mit dem OGH-Entscheid. Pressesprecher Christoph Pollinger, betont, dass man das Urteil nun „eingehend analysieren“werde. Prinzipiell sei aber festzuhalten, „dass die Mitteltrennungen im Asfinag-Netz den Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen entsprechen“. Was die bauliche Trennung bei Bi- schofshofen betreffe, so sei „diese von den lokalen Behörden abgesegnet und von Expertengremien für okay befunden“worden.
Bezüglich des Unfalls sei laut Pollinger „der Lkw viel zu schnell unterwegs“gewesen und „quasi rechtwinkelig in die Mitteltrennung gefahren“. Der Gerichtssachverständige hingegen hatte im Strafprozess eine Geschwindigkeit von „nur“88 statt 80 km/h festgestellt und einen Anprallwinkel von lediglich 20 Grad. Der Asfinag-Sprecher hält auch fest, dass es „keine alles verzeihenden Rückhaltesysteme“gebe. Zudem sei es im Fall Bischofshofen so, „dass es seit 2007 keine Toten oder Schwerverletzten in diesem Abschnitt gab und die Unfallzahlen rückläufig sind“. Die Trennung, so Pollinger, würde „also funktionieren“.
Auf die Frage, ob die Asfinag ein Austauschen der laut OGH zu schwachen Trennwände andenke – etwa auch an anderen Umfahrungen –, betont Pollinger dann: „Wir werden das Urteil analysieren und prüfen etwaige Ableitungen daraus. Verkehrssicherheit geht immer vor.“Zudem prüfe man auch andere baulichen Veränderungen – etwa eine Reduktion auf drei Fahrstreifen.
„Die Trennwand entsprach nicht der Europanorm.“Gerhard Kronreif in seinem kfz-technischen Gutachten