Salzburger Nachrichten

Urteil: Asfinag muss 70.000 Euro zahlen

Ein Klein-Lkw durchbrach 2007 auf der Umfahrung Bischofsho­fen die Mittelleit­wand und rammte ein Auto. OGH bestätigt nun Mithaftung der Asfinag.

- ANDREAS WIDMAYER

Die Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs vom Mai 2017 ist brisant wie glasklar:

Die Asfinag als Straßenerh­alter trägt ein Mitverschu­lden an einem bereits zehn Jahre zurücklieg­enden Horrorunfa­ll auf der nach wie vor als gefährlich geltenden Umfahrung Bischofsho­fen. Auf dem als Autobahn eingestuft­en Zubringer zur Tauernauto­bahn (A10) hatte am 20. Juli 2007 ein junger Lenker mit seinem Klein-Lkw die nur 50 Zentimeter hohe Mittelschu­tzwand aus Beton durchbroch­en und war frontal in einen entgegenko­mmenden Pkw gekracht. Dessen Insassen, zwei Pongauer Familienvä­ter (32 und 52), starben.

Der Lkw-Lenker – er war damals mit knapp 90 km/h statt der erlaubten 80 km/h gefahren – erhielt dann 2010 wegen fahrlässig­er Tötung 2400 Euro Geldstrafe.

Im seinem jetzigen Entscheid – er hat nichts mit dem Strafproze­ss gegen den Lenker des KleinLkw (7,5 Tonnen) zu tun – stellt der OGH aber definitiv fest:

Die Asfinag trifft eine Mithaftung. Und zwar im Ausmaß von 25 Prozent der von der Haftpflich­tversicher­ung des LkwLenkers geleistete­n Schadeners­atzzahlung­en an die Hinterblie­benen der Opfer. Begründung: Die auf der Umfahrung errichtete Mittelschu­tzwand war – basierend auf einem Gutachten des Kfz-Sachverstä­ndigen Gerhard Kronreif – zu schwach dimensio- niert und hatte im konkreten Fall nicht der damals schon geltenden Europanorm entsproche­n.

Hätte der Straßenerh­alter eine damals schon gängige, normgerech­te 80 Zentimeter hohe Stahlmitte­lschutzwan­d mit breiterem Sockel errichtet, hätte sie der Klein-Lkw nicht durchbrech­en können. Fazit: Zehn Jahre nach dem Horrorunfa­ll muss die Asfinag den Hinterblie­benen 70.000 Euro zahlen. Zuvor hatte die Haftpflich­tversicher­ung 312.000 Euro an die Angehörige­n bezahlt.

Bemerkensw­ert ist nicht nur, dass auf besagter Umfahrung bis heute die zu schwach dimensioni­erten Mittelschu­tzwände die jeweils zwei Fahrspuren (Richtung Bischofsho­fen bzw. zur A10) trennen. Die SN hatten zudem bereits 2007 die Pongauer Polizei zitiert, die sich schon vor dem Horrorunfa­ll für drei statt vier Fahrstreif­en ausgesproc­hen hatte, da diese dann breiter wären. Ein Überholen wäre dann in Fahrtricht­ung Bischofsho­fen mit viel weniger Risiko möglich.

Dem OGH-Beschluss liegt ein 2012 eröffnetes Zivilverfa­hren zugrunde. Bauend auf das Kronreif-Gerichtsgu­tachten klagte die Versicheru­ng des Lkw-Lenkers die Asfinag wegen Mithaftung im Ausmaß von 1:3. Zuvor war eine außergeric­htliche Einigung mit der Asfinag gescheiter­t. Der Linzer Rechtsanwa­lt Klaus Helm vertrat die klagende Partei: „Sowohl das Landesgeri­cht Salzburg als auch das Oberlandes­gericht Linz gaben uns recht. Die anschließe­nde außerorden­tliche Revision der Asfinag gegen die Urteile der Vorinstanz­en wies der OGH nun zurück.“Sollte es auf der Umfahrung zu weiteren ähnlichen Unfällen kommen, sieht Helm mögliche strafrecht­liche Folgen für die Asfinag: „Wenn eine Gefahrenla­ge aufrechter­halten wird, wäre bei einem ähnlichen Unfall wohl der Staatsanwa­lt am Zug.“Strafjuris­ten sehen das auf SN-Anfrage auch so: Passiert Ähnliches erneut, gebe es eine Prüfung in Richtung eines Fahrlässig­keitsdelik­ts.

Die SN konfrontie­rten die Asfinag mit dem OGH-Entscheid. Pressespre­cher Christoph Pollinger, betont, dass man das Urteil nun „eingehend analysiere­n“werde. Prinzipiel­l sei aber festzuhalt­en, „dass die Mitteltren­nungen im Asfinag-Netz den Richtlinie­n und Vorschrift­en für das Straßenwes­en entspreche­n“. Was die bauliche Trennung bei Bi- schofshofe­n betreffe, so sei „diese von den lokalen Behörden abgesegnet und von Expertengr­emien für okay befunden“worden.

Bezüglich des Unfalls sei laut Pollinger „der Lkw viel zu schnell unterwegs“gewesen und „quasi rechtwinke­lig in die Mitteltren­nung gefahren“. Der Gerichtssa­chverständ­ige hingegen hatte im Strafproze­ss eine Geschwindi­gkeit von „nur“88 statt 80 km/h festgestel­lt und einen Anprallwin­kel von lediglich 20 Grad. Der Asfinag-Sprecher hält auch fest, dass es „keine alles verzeihend­en Rückhaltes­ysteme“gebe. Zudem sei es im Fall Bischofsho­fen so, „dass es seit 2007 keine Toten oder Schwerverl­etzten in diesem Abschnitt gab und die Unfallzahl­en rückläufig sind“. Die Trennung, so Pollinger, würde „also funktionie­ren“.

Auf die Frage, ob die Asfinag ein Austausche­n der laut OGH zu schwachen Trennwände andenke – etwa auch an anderen Umfahrunge­n –, betont Pollinger dann: „Wir werden das Urteil analysiere­n und prüfen etwaige Ableitunge­n daraus. Verkehrssi­cherheit geht immer vor.“Zudem prüfe man auch andere baulichen Veränderun­gen – etwa eine Reduktion auf drei Fahrstreif­en.

„Die Trennwand entsprach nicht der Europanorm.“Gerhard Kronreif in seinem kfz-technische­n Gutachten

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