Nur noch fremde Freunde
Beziehungen zwischen Ankara und Berlin haben sich massiv verschlechtert.
Deutsche und Türken waren einmal ziemlich beste Freunde. Doch seit einiger Zeit geht es steil bergab mit den Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Vor einer Woche begann die Bundeswehr mit dem Rückzug von der südtürkischen Basis Incirlik. Berlin reagiert damit auf das von Ankara verhängte Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei den deutschen Soldaten. Die Verlegung der Luftwaffeneinheit nach Jordanien markiert einen neuen Tiefpunkt.
Jetzt hat die türkische Regierung auch den Besuch deutscher Parlamentarier bei deutschen Soldaten in Konya untersagt. Dabei ist die Bundeswehr eine „Parlamentsarmee“; der Bundestag muss jeden Einsatz genehmigen.
Dieser Streit ist nur einer von vie- len Konfliktpunkten. Die Liste der beiderseitigen Irritationen ist lang. Mitte März 2016 löst das vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) ausgestrahlte Lied „Erdowie, Erdowo, Erdoğan“eine handfeste diplomatische Krise aus, die sich zwei Wochen später verschärft, als der Satiriker Jan Böhmermann sein Gedicht „Schmähkritik“präsentiert. Präsident Recep Tayyip Erdoğan reagiert mit einer Beleidigungsklage.
Anfang Juni 2016 stuft der Bundestag in einer Resolution die Armenier-Verfolgungen im Osmanischen Reich als Völkermord ein. Ankara macht daraufhin Incirlik für deutsche Besucher dicht.
Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 lässt sich monatelang kein Mitglied der Bundesregierung in der Türkei blicken – Ankara ist verärgert. Im Februar 2017 wird der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel in Untersuchungshaft genommen, Erdoğan bezeichnet ihn als „Terroristen“und „Spion“.
Stark beschädigt werden die Beziehungen im Frühjahr 2017 vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum in der Türkei. Als türkische Minister an Auftritten in Deutschland gehindert werden, reagiert Erdoğan mit Nazivergleichen, auch gegen Kanzlerin Angela Merkel persönlich. Aktuell sorgt für Spannungen, dass Deutschland türkische Offizieren und Diplomaten Asyl gewährt, die in den Putschversuch im Juli 2016 verwickelt sein sollen.
Es knirscht in den Beziehungen Berlin-Ankara, aber einen offenen Bruch versuchen beide Seiten zu vermeiden. Denn man braucht einander – aus deutscher Sicht vor allem wegen des Flüchtlingsdeals, aus türkischer Perspektive aus wirtschaftlichen Gründen.