Bei Kerzenlicht wird das Unglück von Liebe besungen
Auch wenn unter den historischen Theatern jenes in Drottningholm in Stockholm mit seiner hölzernen Maschinerie am bekanntesten ist, ist das Ulriksdal Slottsteater, auch „Confidencen“genannt, noch älter. Es geht auf die 1750er-Jahre zurück und ist das älteste Rokoko-Theater Schwedens. Seit einiger Zeit wird es bespielt: Arnold Östman, in den 1980er-Jahren Leiter des Drottningholm-Theaters, führt in der Regel Mozart-Opern auf. Allerdings steht in diesem Sommer – denn nur im Sommer kann gespielt werden – Christoph Willibald Glucks „Orfeo ed Euridice“auf dem Programm. Arnold Östman hat die italienische Fassung der Wiener Uraufführung mit einem szenischmusikalischen Prolog ausgestattet, der die Vorgeschichte der Oper – dass Euridice von einer Schlange gebissen wird – erzählt.
Das Eigentümliche an dieser Fassung besteht in der quasi kammermusikalischen Reduzierung des Streicherapparats (mit den Holzbläsern spielen neun Musiker unter Östmans Leitung), der selbst beim Furientanz viel weicher klingt, als man es heutzutage auch von historischen Ensembles gewohnt ist. Wo diese in der Regel auf die Dramatisierung des Klangs setzen, lässt Östman die Nähe zum barocken Konzept der Dramatizität durchscheinen. Das Besondere an der „Confidencen“-Aufführung – die Premiere war am Samstag – besteht in der Ausdehnung des Begriffs „historische Aufführungspraxis“auf das Szenische selbst, auf die historischen Bewegungen der Sänger und auf die zentrale Rolle des Tänzerischen und Pantomimischen im Regiekonzept. Sogar die Bühnenbeleuchtung kommt von Dutzenden Kerzen – von Kerzenleuchtern bis zum Rampenlicht. Dieser Effekt ist kaum zu beschreiben. Selbst der Produktionsfotograf vermag dieses Dämmerlicht nicht einzufangen. Die Fotografie setzt auf Schärfe, wo auf der Bühne das Diffuse regiert.
Nichts ist in dieser Aufführung gestochen scharf: Was für ein Effekt, wenn die Monster der Unterwelt nicht genau zu identifizieren sind, sondern irgendwo im Halbdunkel hinter dem hellen Rampenlicht ihr Unwesen treiben!
Gesungen wird in dem kleinen Holzraum mit quasi spielerischer Leichtigkeit: Die Sängerinnen – Östman verzichtet auf die Besetzung der Orfeo-Partie mit einem Countertenor – sind jung, die Stimmen sind dem kammermusikalischen Rahmen angepasst, behänd, luftig und scheinen dem barocken Recitarcantando nahe. Von den drei Sängerinnen hinterlässt jene des Orfeo (Maria Sanner) den samtigsten Eindruck. Und der Chor? Er besteht aus vier Sängerinnen.
Oper: Orfeo & Euridice, ConfidencenTheater, Ulriksdal, Schweden, bis 20. August.