Österreichs Verhältnis zur Türkei Im vergangenen Jahr hat sich auch die Stimmung im Land verändert
Der gescheiterte Putsch in der Türkei vor einem Jahr hatte auch Auswirkungen auf Österreich. Diplomatische, weil sich das Verhältnis zur Türkei weiter verschlechtert hat. Juristische, weil das Versammlungsrecht verschärft wurde. Und integrationspolitische, weil der innertürkische Konflikt mitunter auch hier zur Belastungsprobe wurde. Doch alles der Reihe nach. Als der Putsch am 15. Juli 2016 niedergeschlagen wurde, gingen in Wien spontan 4000 Austrotürken auf die Straße, um den „Sieg der Demokratie“zu feiern. Tags darauf die nächste Großdemo mit wehenden türkischen Fahnen, bei der der Gastgarten eines türkisch-kurdischen Lokals in Wien demoliert wurde. Für die Politik war spätestens da Schluss mit lustig. An alle Türkischstämmigen im Land erging der Appell, den innertürkischen Konflikt nicht nach Österreich zu tragen.
Als türkische Politiker im Frühjahr auch in der EU für Erdoğans umstrittenes Verfassungsreferendum wahlwerben wollten, erfasste auch diese Debatte Österreich, das mit 117.000 Türken und insgesamt fast 300.000 Menschen mit türkischen Wurzeln eine große türkische Community hat. Die Folgen: Der Nationalrat hat noch im April das Versammlungsrecht verschärft. Seither ist es einfacher, Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker zu verbieten, Demos müssen 48 Stunden vorher angemeldet werden. Erst in der Vorwoche war es zum vorläufig letzten Eklat gekommen, als einem türkischen Minister der Auftritt zum Putsch-Gedenken in Österreich verboten wurde. Unterkühlt ist das Verhältnis zwischen Österreich und der Türkei aber schon seit Jahren. Spätestens seit Außenminister Sebastian Kurz und Kanzler Christian Kern offen den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fordern, ist aber Eiszeit. Der Ärger Erdoğans geht so weit, dass seit Monaten Bundesheersoldaten von allen wichtigen NATO-Partnerschaftsprogrammen ausgeschlossen sind. Türkische Vereine in Österreich wie der größte religiöse Dachverband Atib versuchen hingegen immer wieder, sich von Aussagen Erdoğans zu distanzieren. Ebenso die Islamische Glaubensgemeinschaft, deren Präsident von Atib kommt: Die Todesstrafe sei „inakzeptabel“, wird betont. Und jüngst distanzierte man sich auch vom Plan der Türkei, den Darwinismus aus den Schulbüchern zu streichen. Im Fall von Atib ist das aber ein ziemlicher Spagat: Bis Anfang 2016 wurden alle Imame in Atib-Moscheen direkt von der türkischen Religionsbehörde entsandt und bezahlt. Das Islamgesetz untersagte schließlich die Auslandsfinanzierung. Derzeit wird geprüft, inwiefern sich die Vereine auch daran halten. Die Frage, wer prüfen muss, sorgt gerade für dicke Luft zwischen SPÖ und ÖVP.
Fest steht, dass der innertürkische Konflikt längst in Österreich angekommen ist: Austrotürken, die nicht mit Erdoğans Kurs einverstanden sind, halten sich mitunter aus Angst vor Repressalien mit offener Kritik zurück. Kein Problem mit offenem und teils aggressivem Auftreten hingegen hat die UETD, ein Verein, der als verlängerter Arm Erdoğans hierzulande auftritt.