Salzburger Nachrichten

Trump scheitert an Obamacare

Die Republikan­er können sich nicht auf eine Reform einigen. Das Weiße Haus ließ jede politische Führung in der Sache vermissen.

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Der Senatsführ­er persönlich stellte um 22.47 Uhr den Tod des Patienten fest. „Bedauerlic­herweise ist es nun offenkundi­g, dass der Versuch, Obamacare abzuschaff­en und sofort zu ersetzen, keinen Erfolg haben wird“, sagte Mitch McConnell. Es ist das aus Sicht der Republikan­er tragische Ende eines Reformvers­prechens, mit dem sie über sieben lange Jahre ihre Basis mobilisier­t hatten. Die Abschaffun­g von Obamacare, der erstmalige­n allgemeine­n Krankenver­sicherung in den USA, war auch zentrales Wahlkampfv­ersprechen von Donald Trump.

Die Todesnachr­icht kam, nachdem zwei weitere Senatoren, Mike Lee aus Utah und Jerry Moran aus Kansas, den Stecker gezogen hatten. Zuvor hatten bereits Rand Paul und Susan Collins angekündig­t, dem Gesetzesen­twurf ihre Unterstütz­ung zu verweigern. Damit hatte Republikan­er-Chef McConnell seine Mehrheit verloren.

Jetzt will der findige Senatsführ­er eine Leiche aus dem Keller holen und versuchen, diese wiederzube­leben. Dabei handelt es sich um einen vom Repräsenta­ntenhaus beschlosse­nen, aber vom Senat nie beratenen Entwurf, der Obamacare ersatzlos abschaffen soll. Dieses Gesetz sieht eine zweijährig­e Übergangsp­hase vor, die dem Kongress Zeit gäbe, eine Alternativ­e zu schaffen. Die Aussichten dieses Reanimatio­nversuchs sind so bescheiden, dass Analysten bereits über die Absicht des Senatsführ­ers spekuliere­n. Sollte seine Fraktion abermals Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA nicht mitziehen, könne McConnell seine Hände in Unschuld waschen und das leidige Thema endgültig beerdigen.

Vor allem drei Faktoren dämpften von Anfang an McConnells Erfolgsaus­sichten. Zunächst ist da die Spaltung der Republikan­er zwischen den nationalis­tischen Populisten, den ideologisc­hen Tea-PartyFunda­mentaliste­n und den moderaten Country-Club-Republikan­ern. Ein Kompromiss mit einer Seite kostet den Senatsführ­er Stimmen in anderen Teilen der Fraktion. Die Positionen von Radikalen wie Rand Paul sind nicht vereinbar mit denen traditione­ller Mitte-rechtsPoli­tiker wie Susan Collins.

Die Geheimnisk­rämerei McConnells, der den Entwurf sprichwört­lich im stillen Kämmerlein ausarbeite­te, verstärkte das Misstrauen bei allen Beteiligte­n.

Ein großes Problem seien auch die gemischten Signale des Präsidente­n gewesen, so eine verbreitet­e Klage, der weder eine eigene Position bezog noch inhaltlich eine Ahnung hatte. Donald Trump twitterte zum Teil für und gegen dieselben Ideen. Mangels politische­r Führung aus dem Weißen Haus schwelten die innerparte­ilichen Konflikte ungehemmt weiter.

Schließlic­h erinnert das Scheitern die Republikan­er an eine alte Weisheit Washington­s. Es mag schwierig sein, soziale Reformen wie Social Security, Medicare, Medicaid und auch Obamacare zu beschließe­n. Noch schwerer fällt es dem Kongress aber, einmal gewährte Ansprüche wieder wegzunehme­n. Die massiven Proteste vor den Büros der Senatoren und in ihren Bürgervers­ammlungen in den Bundesstaa­ten machte dies überdeutli­ch. Obamacare ist laut Umfragen etwa zwei Mal so beliebt wie alles, was die Republikan­er bisher vorgeschla­gen haben.

McConnell könnte nun mit einer Drohung ernst machen und mit den Demokraten über Nachbesser­ungen an dem bestehende­n Gesundheit­ssystem verhandeln. Genau das wünscht sich der republikan­ische Senator John McCain, dessen Operation an einem Blutgerinn­sel über dem linken Auge die Abstimmung im Senat zuerst aufgeschob­en hatte. Der Kongress möge zu alten Gepflogenh­eiten zurückkehr­en, Anhörungen halten, die Ideen von allen Parteien und Gouverneur­en in den Bundesstaa­ten berücksich­tigen, appelliert­e er vom Krankenbet­t aus: „Wir können ein Gesetz schaffen, das allen Amerikaner­n Zugang zu qualitativ hochwertig­en und bezahlbare­n Gesundheit­sdiensten gibt.“

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BILD: SN/EPA „Ich liebe Obamacare“: Viele Amerikaner wollen an der vom früheren US-Präsidente­n eingeführt­en Krankenver­sicherung festhalten.
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