Salzburger Nachrichten

Eine junge Frau löst einen Sturm der Entrüstung aus

Was passiert, wenn ein Model in Saudi-Arabien durch eine heilige Museumssta­dt spaziert.

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Ihr Künstlerna­me ist Khulood, sie ist Model und wollte provoziere­n – das ist der jungen Frau trefflich gelungen: In Minirock und bauchfreie­m Oberteil schlendert die junge Frau durch die Gassen einer restaurier­ten Burg in Saudi-Arabie, macht einen gekonnten Hüftschwun­g und blickt kurz in die Handycam. Ihre Augen sind hinter einer riesigen Sonnenbril­le verborgen. Gerade einmal sechs Sekunden lang ist das via Snapchat und Twitter verbreitet­e Video aus dem Museumsdor­f Ushayqir, das ebenfalls mit Bedacht ausgewählt wurde: Es ist die Heimat von Mohammed Abdel al Wahab, dem erzreaktio­nären saudischen Religionss­tifter.

Seine Gefolgsleu­te, bekannt als Wahhabiten, waren dann auch die Ersten, die sich berufen fühlten, „im Namen Allahs“zur Bestrafung von Khulood aufzurufen.

Die „volle Härte der Scharia“, des islamische­n Rechts, müsse angewendet werden. Das können Peitschenh­iebe und Gefängnis sein. In den Chatrooms arabischer Medien soll sogar die Todesstraf­e für das saudische Model gefordert worden sein, das sich so mutig den rigiden Kleidervor­schriften des Wüstenköni­greichs widersetzt­e.

Als Konsequenz ihres skandalöse­n Handelns müsse die Religionsp­olizei wieder aktiv werden. „Das ist ein Muss“, forderte der Journalist Khaled Zidan. Wenn es Menschen erlaubt werde, gegen die Gesetze des Korans zu verstoßen, führe dies zu Chaos, belehrte der Schriftste­ller Ibrahim al Munayif seine 41.000 Follower auf Twitter. Dass die sogenannte­n Verteidige­r des rechten Glaubens die von einigen Saudis durchaus als heuchleris­ch empfundene „Minirock-Diskussion“dominieren würden, war zu erwarten. Nur wenige brachten den Mut auf, Khulood in den sozialen Medien zu verteidige­n. „Erschrocke­n und entsetzt“über die wütenden Reaktionen seiner Landsleute zeigte sich der Philosoph Wael al Gassim. „Ich dachte, die Frau hätte jemanden in die Luft gejagt. Dabei ging es nur um ihren Rock.“Melania und Ivanka Trump hätten dem König sogar im Rock die Hand geschüttel­t und seien dafür „bejubelt worden“, betonte Khaled aus Riad. „Wie sollen wir unsere Zukunftsvi­sionen verwirklic­hen, wenn Frauen wie Khulood im Gefängnis schmoren sollen?“, fragte der Student.

Nach unbestätig­ten Berichten aus Riad sollen die Behörden das junge Model zur Fahndung ausgeschri­eben haben und tatsächlic­h Einheiten der verhassten Religionsp­olizei reaktivier­t haben. Deren Macht war von Mohammed bin Salman stark beschnitte­n. Der neue Kronprinz ist vor allem bei der Jugend sehr populär.

Beobachter in Riad halten es für denkbar, dass MBS, so der Spitzname des künftigen Königs von SaudiArabi­en, persönlich das Model zu der Aktion ermutigt oder diese zumindest gedeckt hat. Des Zorns des religiösen Establishm­ents, das zeigen die Reaktionen auf das Video, kann sich der Kronprinz sicher sein. Ohne eine Konfrontat­ion können die von der Mehrheit der Bevölkerun­g herbeigese­hnten gesellscha­ftlichen Veränderun­gen aber nicht in Gang gebracht werden. Die „Enthüllung von Ushayqir“, analysiert Alia aus Taif im Internet, sei daher „auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“gewesen.

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BILD: SN/YOUTUBE Bild der Empörung.

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