Wie lange will die Regierung May den Kopf in den Sand stecken?
Entscheidet sich die britische Regierung nicht bald, über Übergangsfristen zu verhandeln, bleiben künftig Flugzeuge auf dem Boden.
Österreich kann sich freuen. Letzte Woche wurde es offiziell: Easyjet, eine – noch – englische Billigfluglinie, wird in Wien ein Headquarter eröffnen (siehe SN vom 15. 7.). Die Gründe dafür sind aus europäischer Sicht alles andere als erfreulich. England wird infolge des Brexit auch den Europäischen Binnenmarkt für Luftverkehr verlassen. Easyjet, die 50 Prozent ihres Umsatzes mit EU-Binnenflügen macht, will sich so den Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten.
Der EU-Binnenmarkt für den Luftverkehr hat London Heathrow in den vergangenen 25 Jahren als Luftverkehrsdrehscheibe etabliert. Luftverkehrsbinnenmarkt heißt: 35 gemeinsame Rechtsakte, eine europäische Agentur für Flugsicherheit als Regulator, 17 internationale EU-Luftverkehrsabkommen über Sicherheitsstandards, Landerechte mit anderen Staaten, unter anderem mit den USA, Kanada, Norwegen. Schiedsrichter bei Rechtsstreitigkeiten ist der Europäische Gerichtshof, Englands „Gottseibeiuns“.
Verlässt England den EU-Luftverkehrsbinnenmarkt ohne Übergangsfrist oder neues Abkommen mit der EU, so sind die Konsequenzen für die Flugbranche klar: In England zugelassene Fluglinien beziehungsweise Fluglinien im englischen Mehrheitseigentum können mit ihrer englischen Betriebslizenz nicht mehr den EU-Inlandsverkehr (etwa Paris–Rom) bedienen. Umgekehrt gelten EU-Betriebszulassungen nicht mehr für englische Inlandsflüge. Für englische Fluglinien eine Katastrophe, aber auch für die europäischen Fluglinien wird es eine große Herausforderung. Und für einige, wie die irische Ryanair, die einen Großteil ihres Umsatzes in England macht, ist das eine Bedrohung ihrer Existenz.
Probleme könnte auch die spanische Iberia (Tochter von IAG-British Airways) bekommen, obwohl sie eine EU-Betriebserlaubnis hat. Sie wird, um ihre Zulassung für EU-Binnenflüge zu behalten, zusätzlich nachweisen müssen, dass sie zu 50,1 Prozent EU-Anteilseignern gehört.
Der Anteil der Passagiere von oder nach EUDestinationen auf Englands Flughäfen liegt bei über 50 Prozent. Auch hier wird es zu Verlagerungen nach Frankfurt, Paris und Amsterdam kommen. Mit dem Ausscheiden aus dem Flugbinnenmarkt müssen nicht nur gegenseitige Großbritannien-EU-Landerechte neu verhandelt werden, England muss auch die internationalen EU-Flugabkommen schleunigst durch bilaterale ersetzen (unter anderem mit den USA und Kanada), ganz zu schweigen von nationalen Sicherheitsbestimmungen und deren Kontrolle, sonst bleiben ihre Flugzeuge am Boden.
Neue Abkommen sowohl mit der EU als auch international zeitgerecht abzuschließen gilt mittlerweile als nahezu unmöglich. Denn um zu planen, müsste die Branche bis spätestens Ende 2017 wissen, wo es langgeht. Wenn man dem zuständigen Minister David Davis glauben darf, weiß die Regierung noch gar nicht, ob sie überhaupt ein neues Abkommen mit der EU will.
Entscheidet sich die britische Regierung nicht bald für eine Strategie, mit der EU Übergangsfristen zu verhandeln, dann bleiben die Flieger am Boden. Damit ist das Chaos programmiert, die Verantwortungslosigkeit der Politiker endgültig dokumentiert.