Tour-Traum des Seriensiegers droht zu platzen
Supersprinter Kittel kassiert herbe Pleite. Der Kampf um das Grüne Trikot spitzt sich zu.
John Degenkolb verschwand frustriert und verärgert in den Teambus, Marcel Kittel holte sich sein Grünes Trikot erst mit großer Verspätung ab: Die letzte Sprintchance vor den Alpen endete für die deutschen Hoffnungen in einer einzigen Enttäuschung – und Kittels Traum vom Sieg in der Punktewertung in Paris droht nach dem Triumph seines Rivalen Michael Matthews in Romans-surIsère am Dienstag zu platzen.
Auf Matthews war Degenkolb gar nicht gut zu sprechen. Der Klassikerspezialist, der hinter dem Australier und dem Norweger Edvald Boasson-Hagen Dritter wurde, legte gar Protest gegen den Australier ein – ohne Erfolg. „Er hat seine Fahrlinie verlassen und mir die Tür zugemacht. Wir sprechen über fairen Sport. Ich bin schon einmal in einem Zielsprint schwer gestürzt – ich brauche das nicht noch einmal“, erregte sich Degenkolb, der bei seiner fünften Tour-Teilnahme weiter ohne Tagessieg ist. Nach dem Zieleinlauf packte er Matthews gar kurz an den Nacken. Matthews verstand die ganze Aufregung nicht: „Ich habe meine Linie nicht verlassen. Ich weiß nicht, was er meint. Das ist sein Problem.“
Probleme bereitet Matthews aber nicht nur Degenkolb, sondern auch zunehmend Kittel. Dem Strahlemann der ersten beiden Tour-Wochen war im Ziel der 16. Etappe jedenfalls nicht mehr zum Lachen. Sein Vorsprung im Kampf um das Grüne Trikot auf Matthews ist auf nur noch 29 Punkte geschrumpft. „Ich konnte nichts machen. Das war nicht unser Tag“, sagte Kittel. Den erhofften sechsten Erfolg konnte sich Kittel schon früh abschminken. Das Streckenprofil mit zwei Anstiegen im ersten Drittel und die aggressive Fahrweise des Feldes vom Start weg vereitelten den Plan des 29 Jahre alten Erfurters. Der Mann in Grün, der bisher in Massensprints umjubelt und unbezwingbar war, geriet schon nach 20 Kilometern ins Hintertreffen.
Nach der verpassten Chance Kittels ist nun auch klar, dass die Uraltrekorde der Tour bestehen bleiben. Die Belgier Eddy Merckx und Freddy Maertens sowie der Franzose Charles Pélissier hatten in einem Jahr acht Etappen gewonnen. Das kann der Wahlschweizer nicht mehr erreichen.
Auch das Profil am Mittwoch verspricht Schwierigkeiten für Kittel. Der Zwischensprint liegt im Tal hinter dem ersten Anstieg des Tages. Für Matthews ist das machbar, für Kittel kaum.
Die Favoriten auf den Gesamtsieg taten sich vor Beginn der beiden harten Alpen-Etappen nicht weh. Spitzenreiter bleibt der dreimalige Tour-Sieger Chris Froome mit weiter 18 Sekunden Vorsprung vor Fabio Aru, 23 Sekunden vor Romain Bardet und 29 Sekunden vor der Tour-Überraschung Rigoberto Urán. Der packende Kampf um Minimalvorsprünge geht weiter.