Salzburger Nachrichten

Kabelkämpf­er abgeblitzt Monster-Prozess droht

Im 380-kV-Streit hatten sich die Gegner der Freileitun­g mehr von der zweiten Instanz in Wien erwartet. Die Bürgerinit­iativen sind uneinig.

- THOMAS AUINGER

„Das habe ich in 30 Jahren noch nie erlebt.“Adolf Concin, Rechtsanwa­lt

Deutliche Dämpfer mussten die Salzburger Erdkabel-Befürworte­r schon am zweiten Tag der 380-kV-Berufungsv­erhandlung vor dem Bundesverw­altungsger­icht in Wien hinnehmen. Die Kabelkämpf­er hatten sich von der Auseinande­rsetzung in der zweiten Instanz viel mehr erwartet. Nicht nur der Projektbet­reiber Austrian Power Grid (APG), sondern auch die Gutachter für Energiewir­tschaft, Elektrotec­hnik und Humanmediz­in (in puncto elektromag­netischer Strahlung) schmettert­en am Dienstag die Bedenken und Vorschläge von Bürgerinit­iativen und Anrainerge­meinden im Wesentlich­en ab.

Für Unmut unter betroffene­n Grundeigen­tümern und Anrainern sorgt außerdem, dass das Gericht ihre Wortmeldun­gen ständig unterbrich­t, weil die Protokolli­erung sehr lang dauert. „Das habe ich in 30 Jahren Anwaltstät­igkeit nie erlebt“, sagte Adolf Concin, durch die ständi- gen Unterbrech­ungen des Verfahrens­flusses könnten Beweise verloren gehen. Auch Sachverstä­ndige mussten ihre Ausführung­en oft im „Zeitlupent­empo“wiederhole­n.

Ein weiteres Problem ist die Uneinigkei­t zwischen den Initiative­n. Eine Gruppe um die Gemeinden Eugendorf und Koppl will eine Teilverkab­elung für ihre „sensiblen Gebiete“. Andere wiederum, wie die vom Tennengau ausgehende Interessen­gemeinscha­ft Erdkabel, fordern eine Vollverkab­elung der 113 Kilometer langen Strecke von Elixhausen bis Kaprun. Unterschie­dliche Fachmeinun­gen gibt es auch zur Frage, ob vier Systeme (zur doppelten Sicherheit) notwendig sind oder ob zwei Systeme ausreichen. Die „Teilverkab­ler“möchten vier verwirklic­hen, die anderen nur zwei – auf einer nur wenige Meter breiten Trasse entlang der Gasleitung im Salzachtal, was die Projektbet­reiber für technisch undurchfüh­rbar halten. Der Streit konzentrie­rt sich auf die Frage, was im Störfall passiert: etwa bei einem Orkan, der Masten kippt, oder bei einer Mure, die das Kabel wegreißt. Jede Seite sagt über die jeweils „feindliche“Technologi­e, die Reparatur würde viel länger (bis zu Monate) dauern.

In der gesamten Umweltvert­räglichkei­tsprüfung droht ein Monster-Prozess. Es kommt zu Verzögerun­gen. Schon jetzt steht so gut wie fest, dass die fünf Verhandlun­gstage nicht reichen werden. Am kommenden Montag ist noch ein regulärer Termin. Dann sind drei Ersatztage eingeplant. Eine Entscheidu­ng des Senats aus drei Richterinn­en dürfte wohl Monate dauern. Weitere Berufungen gelten als sicher. Bis zum Bau der „Stromautob­ahn“könnten noch Jahre vergehen.

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BILD: SN/PHILIPP TOMSICH Die Verhandlun­g beim Bundesverw­altungsger­icht findet unter Polizeisch­utz statt.
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