Hindunationalisten helfen einem „Unberührbaren“ins Amt
Ram Nath Kovind soll das nächste Staatsoberhaupt der größten Demokratie der Welt werden.
DELHI. Am Sieg des 71-jährigen Ram Nath Kovind bestehen wenige Zweifel. Eine Mehrheit im Wahlgremium, das 5000 Parlamentsabgeordnete sowie Mandatare aus den indischen Bundesstaaten umfasst, gilt als sicher. Kovind ist von den regierenden BJP-Hindunationalisten als nächster Präsident Indiens vorgesehen. Sie verfügen über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und regieren entweder allein oder in einer Koalition in 17 der 29 Bundesländer.
Doch der gelernte Rechtsanwalt Kovind wollte lieber nichts dem Zufall überlassen. Am liebsten sprach der Dalit, wie die einst „Unberührbaren“in Indien hießen, hinter verschlossenen Türen vor ausgesuchten Gremien. Öffentlich ließ er sich nur zu einem markanten Satz bewegen: „Alle sollten so hart arbeiten wie ich, um Erfolg zu haben.“
Freilich genoss der Dalit aus einem Fischerdorf am Ganges auch die massive Unterstützung der radikalen Hindu-Dachvereinigung „Reichsfreiwilligenkorps“(RSS), dem der zukünftige Präsident schon in jungen Jahren beitrat. Das RSS sei die „indischen Form von Faschismus“, meint der angesehene Indien-Experte Christophe Jaffrelot. Die paramilitärisch organisierte Gruppe betreibt rund 40.000 Ortsvereine im ganzen Land und hat Kovind den Weg geebnet. Die RSS-Unterstützung gab den Ausschlag für Kovinds Nominierung durch Premierminister Narendra Modi. Nath Kovinds Biografien schweigen sich weitgehend aus über diese Seite seines Lebens. Kovind, der zuletzt als Gouverneur des Bundesstaates Bihar amtierte, hatte es sogar zum Sprecher der von Brahmanen – der obersten Hindukaste – dominierten BJP gebracht. In dieser Funktion ließ er durchblicken, wes Geistes Kind er ist. „Christentum und Islam sind fremdartig für Indien“, verkündete er.
Auf seine Lebensleistung ist Nath Kovind durchaus stolz. Daran lässt er keinen Zweifel. Er wird nach Kocheril Narayanan, der von 1997 bis 2002 indisches Staatsoberhaupt war, der zweite Dalit sein, der den Sprung in dieses Amt schafft. Narayanan wurde von einer breiten Allianz regionaler Parteien gewählt.
Nath Kovind dagegen will den Hindunationalisten helfen, die etwa 200 Millionen Dalit an die Partei zu binden, deren Mitglieder sich teilweise immer noch weigern, mit einem „Unberührbaren“an einem Tisch zu sitzen. Doch selbst Mayawati, bislang eine unbestrittene Führerin der Dalit-Bewegung, zollt dem BJP-Mann Kovind Tribut. „Wichtig ist für uns, dass er ein Dalit ist“, erklärte sie.
So wohltönend der Titel des Staatspräsidenten klingt, so wenig hat er zu entscheiden. Das indische Staatsoberhaupt erfüllt, ähnlich wie auch der österreichische Bundespräsident, vor allem repräsentative Aufgaben. Die Macht liegt beim Premier.
Nur in einem Fall hat der Präsident Einfluss: Es liegt an ihm, wen er bei unklarer Mehrheitslage mit der Regierungsbildung beauftragt.