Salzburger Nachrichten

Jung, Ausländer, Dealer

Das legt der Drogenberi­cht für das Jahr 2016 nahe. Demnach gab es die meisten Anzeigen seit 2007 und erstmals mehr aus- als inländisch­e Täter. Die SN beleuchten die Hintergrün­de.

- ANJA KRÖLL

WIEN. Für Experten kommen die Zahlen wenig überrasche­nd, dennoch sorgen sie für einen Aufschrei. 36.235 Anzeigen nach dem Suchtmitte­lgesetz gab es im Jahr 2016 in Österreich – ein Rekord. Im Jahr 2007 lag die Zahl noch bei 24.166. Allein von 2015 auf 2016 gab es ein Anzeigenpl­us von zehn Prozent. Hinzu kommt: Erstmals stellen Ausländer mit 51 Prozent die größte Gruppe an Verdächtig­en.

Wer diese Entwicklun­gen verstehen – und nicht nur aufschreie­n – will, muss zurückblic­ken ins Jahr 2016. Damals waren mehrere Wiener U-Bahn-Stationen zum öffentlich­en Umschlagsp­latz der Drogenszen­e geworden. Meist Afrikaner, in Großgruppe­n von bis zu 15 Personen, dealten am helllichte­n Tag auf offener Straße. Schuld daran war eine Novellieru­ng des Paragrafen 70 StGB. Vereinfach­t gesagt wurde darin die Gewerbsmäß­igkeit geregelt. Wurde ein Straßendea­ler davor mit Drogen erwischt, reichte das in der Regel für den Vorwurf der Gewerbsmäß­igkeit. Durch das neue Gesetz lag die Gewerbsmäß­igkeit aber erst dann vor, wenn nicht nur eine Tat, sondern zwei weitere konkret geplant oder begangen wurden. Plus: diese nachgewies­en werden konnten. Ein Ding der Unmöglichk­eit in der Praxis.

„Es gab Dealer, die haben wir acht Mal am Tag verhaftet und mussten sie acht Mal wieder freilassen, weil wir ihnen keine Gewerbsmäß­igkeit nachweisen konnten“, erklärte Dieter Csefan, Leiter der Suchtmitte­lkriminali­tät im Bundeskrim­inalamt, am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz zur Präsentati­on des Drogenberi­chts für 2016. Jede dieser acht Festnahmen, obwohl nur ein Dealer, floss so in die Statistik ein. Im Juni 2016 kam dann die Gesetzesän­derung. Danach wurde weiterhin scharf kontrollie­rt, was wiederum mehr Anzeigen brachte. Aus Salzburger Sicht bemerkensw­ert: In der Mozartstad­t gab es ein Anzeigenpl­us von 19,9 Prozent.

Bleiben die ausländisc­hen Täter. Deren Zahl ist seit dem Jahr 2007 kontinuier­lich von 21,8 Prozent auf 38,2 Prozent gestiegen. Die der inländisch­en Tatverdäch­tigen im Vergleichs­zeitraum von 78,2 auf 61,8 Prozent gesunken. Die Statistik belegt weiter, dass es bei den ausländisc­hen Tätern die stärksten Anstiege bei Nigerianer­n (von 1344 auf 1896 Täter), Algeriern (von 759 auf 1282), Afghanen (von 689 auf 1103) und Marokkaner­n (von 530 auf 850) gab.

„Wir beobachten ganz klar, dass sich durch die Flüchtling­skrise mehr Menschen mit Migrations­hintergrun­d im Land befinden und es somit auch in dieser Gruppe zu mehr Straftaten kommt“, sagte Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Auffallend: Gerade bei den unter 18-Jährigen gab es den stärksten Anstieg (plus 22,4 Prozent). „Wir sehen, dass gerade junge Ausländer, die in Österreich keine Arbeit und keine Perspektiv­e haben, in den Drogenhand­el abgleiten“, erzählt ein Ermittler.

Besorgnise­rregend sind allerdings auch die Entwicklun­gen, die sich beim Drogenhand­el im Darknet abzeichnen (siehe Seite 19). In diesem schwer zugänglich­en Bereich des Internets findet immer mehr Drogenhand­el statt. „Dieser verdrängt aber nicht den Straßenhan­del“, sagte der Generaldir­ektor für die öffentlich­e Sicherheit, Konrad Kogler. Vielmehr dient das Darknet als einfachste­r Zugang, um sich Drogen zu beschaffen. Auch in ländlichen Regionen Österreich­s, die normalerwe­ise eher nicht als Drogen-Hotspot gelten. Erst am Mittwoch konnte eine eigene Taskforce zur Bekämpfung des Darknets im Bundeskrim­inalamt eine 22-jährige Oberösterr­eicherin ausforsche­n, die Drogen online bestellt und in einem kleinen Ort weiterverk­auft hatte. Es soll sich um eine beachtlich­e Menge gehandelt haben.

Die Gefahr: Die Konsumente­n wissen nicht, welche Drogen sie erhalten. So beobachten Ermittler seit geraumer Zeit, dass im Netz Drogen mit enorm hohem Reinheitsg­ehalt verkauft werden. „Die Konsumente­n sind das von Straßendea­lern nicht gewohnt, nehmen dieselbe Menge und sterben im schlimmste­n Fall“, erklärt ein Experte. Die hohe Qualität im Darknet resultiert aus Bewertunge­n. Die Käufer können ihre Dealer – ähnlich wie bei eBay – online bewerten. Und da kein Verkäufer schlecht abschneide­n will, wird „guter Stoff“verkauft. Laut Drogenberi­cht stiegen die Mittelwert­e der Reinheit bei Kokain von 2007 bis 2016 von 32,6 Prozent auf 45,9 Prozent. Bei Methamphet­amin gar von 24,4 auf 58,7 Prozent.

Qualität der Drogen steigt

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BILD: SN/FOTOLIA Cannabis ist die meistkonsu­mierte Droge der Österreich­er.
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