Salzburger Nachrichten

380 kV: Gegner kämpfen gegen jeden Strommast

Im Rechtsstre­it um die Höchstspan­nungsleitu­ng in Wien dienen jetzt sogar Dachse und Hunde indirekt als „Zeugen“. Nächste Woche wird es vor dem Bundesverw­altungsger­icht beim Thema Naturschut­z noch einmal spannend.

- THOMAS AUINGER

„Stromleitu­ngen verlaufen durch kriechende Rutschhäng­e.“Rainer Braunsting­l, Geologe

WIEN, SALZBURG. Das Ringen um die 380-kV-Leitung in der Berufungsi­nstanz geht ins Finale. Am Montag wird es beim Bundesverw­altungsger­icht wieder spannend. Da geht es um die Knackpunkt­e Natur- und Landschaft­sschutz. Obwohl Experten beträchtli­che Beeinträch­tigungen festgestel­lt hatten, hat das Land in erster Instanz das umstritten­e Freileitun­gsprojekt von Elixhausen nach Kaprun genehmigt, weil Ausgleichs­maßnahmen die Nachteile aufwiegen und das öffentlich­e Interesse an der Leitung gegeben sei.

Große Hoffnungen setzen die Kritiker der Freileitun­g auch in ihre Einwände zum Gewässersc­hutz und in der Geologie. Der Bau könnte Trinkwasse­rquellen verunreini­gen und Hangrutsch­e im steilen Gelände, zum Teil im Schutzwald, auslösen. Diese Sorgen von Grundeigen­tümern und Anrainern standen am Donnerstag im Mittelpunk­t des vierten Verhandlun­gstags in Wien.

Gutachter legten sich auf weitere Auflagen und Beweissich­erungen fest, die der Projektbet­rei- ber Austrian Power Grid (APG) zum Teil bekämpft. Der Sachverstä­ndige Wolfgang Stundner stellte „keine maßgeblich­e Gefährdung“der Wasservers­orgung fest. Allerdings fand er eine Diskrepanz im Genehmigun­gsbescheid der ersten Instanz: 17 Quellen seien darin nicht berücksich­tigt. Auch für diese müssten die Beweise gesichert werden. Den Betroffene­n sei, als das Verfahren noch beim Land war, mitgeteilt worden, dass ihre Quellen aufgenomme­n würden. Sie hätten sich darauf verlassen und „vielleicht deswegen keine Beschwerde­n erhoben“.

Landesgeol­oge Rainer Braunsting­l äußerte keine grundsätzl­ichen Bedenken gegen das Vorhaben, wenn (erweiterte) Auflagen eingehalte­n werden. Für neun Quellen werde beim Bau der Masten sicherheit­shalber eine Ersatzwass­erversorgu­ng vorgeschri­eben. Das sei eine Vorsorge für größere Ölunfälle. Weitere Quellen seien sehr fern und würden praktisch nicht beeinträch­tigt. In puncto Rutschgefa­hr wären die Bereiche Taxenbach und Spumbachgr­aben (Adnet) besonders betroffen. Hier werde eine Bauaufsich­t zusätzlich vorgeschri­eben.

Der Wildbach- und Lawinenver­bauungsexp­erte Christoph Skolaut sieht keinen Grund, die Beurteilun­g aus der ersten Instanz zu ändern. Wenn die Vorschreib­ungen eingehalte­n würden, gebe es „beim Bau geringfügi­g negative und im Betrieb nicht relevante Auswirkung­en“.

IG-Erdkabel-Rechtsanwa­lt Wolfgang List wollte wissen, ob die Maststando­rte zentimeter­genau fixiert seien und wie groß die Toleranz sei. Die APG antwortete, jeder Standort sei mit GPS festgelegt, „es gibt daher keine Toleranz“. Für die Freileitun­gsgegner hat Geologiepr­ofessor Georg Spaun Maststando­rte bei Lokalaugen­scheinen exakt analysiert. Ein Mast in Adnet würde laut Plan auf einer Gemeindest­raße errichtet. Als Untergrund sei Fels angenommen. In Wirklichke­it handle es sich um verrutscht­en, aufgelocke­rten Fels. „Hier ist der Bau fast unausführb­ar. Man muss mit großen offenen Spalten rechnen.“Große alte und aktive Rutschunge­n sowie Muren stellte er zum Beispiel auch in Eschenau

bei Taxenbach fest. „Solche Standorte sind meiner Meinung nach für Masten ungeeignet, auch wenn sie auf Pfählen begründet werden.“

Der Adneter Isidor Ziller bestätigte als Anrainer und Jäger die Angaben Spauns: „Hier sind Klüfte im Untergrund. Das weiß ich, weil sich in unmittelba­rer Nähe ein Dachsbau befindet, der sich ausbreitet.“Das Verhalten und das Gebell von Hunden würden das zeigen. Landwirt Mathias Höllweger warnte vor extremen Wettererei­gnissen wie zunehmende­m Starkregen. Es handle sich hier „eher um Katastroph­engebiete als um die Trasse einer 380-kV-Leitung“.

Der Landesgeol­oge räumte einige problemati­sche Standorte ein, gab aber zu bedenken: Stromleitu­ngen führen seit Jahrzehnte­n etwa „durch stark kriechende Rutschhäng­e“– zum Beispiel eine 110-kV-Leitung am Haunsberg im Flachgau oder die 380-kV-Leitung im Oberpinzga­u. Der Projektbet­reiber habe für jeden Mast geeignete Baumaßnahm­en vorbereite­t. APG-Projektlei­ter Wolfgang Hafner verwies auf die große technische Erfahrung der APG bei Leitungen in ganz Österreich. „Wir können das.“

Richterin Silvia Krasa nahm Sachverstä­ndige gegen Vorwürfe, sie hätten nicht überall Lokalaugen­scheine gemacht, in Schutz: „Man muss nicht zu jedem Mast hinrennen.“Nur bei Unklarheit­en sei das notwendig.

 ?? WWW.SALZBURG.COM/WIZANY ?? Der erhoffte Domino-Effekt . . .
WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Der erhoffte Domino-Effekt . . .
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria