380 kV: Gegner kämpfen gegen jeden Strommast
Im Rechtsstreit um die Höchstspannungsleitung in Wien dienen jetzt sogar Dachse und Hunde indirekt als „Zeugen“. Nächste Woche wird es vor dem Bundesverwaltungsgericht beim Thema Naturschutz noch einmal spannend.
„Stromleitungen verlaufen durch kriechende Rutschhänge.“Rainer Braunstingl, Geologe
WIEN, SALZBURG. Das Ringen um die 380-kV-Leitung in der Berufungsinstanz geht ins Finale. Am Montag wird es beim Bundesverwaltungsgericht wieder spannend. Da geht es um die Knackpunkte Natur- und Landschaftsschutz. Obwohl Experten beträchtliche Beeinträchtigungen festgestellt hatten, hat das Land in erster Instanz das umstrittene Freileitungsprojekt von Elixhausen nach Kaprun genehmigt, weil Ausgleichsmaßnahmen die Nachteile aufwiegen und das öffentliche Interesse an der Leitung gegeben sei.
Große Hoffnungen setzen die Kritiker der Freileitung auch in ihre Einwände zum Gewässerschutz und in der Geologie. Der Bau könnte Trinkwasserquellen verunreinigen und Hangrutsche im steilen Gelände, zum Teil im Schutzwald, auslösen. Diese Sorgen von Grundeigentümern und Anrainern standen am Donnerstag im Mittelpunkt des vierten Verhandlungstags in Wien.
Gutachter legten sich auf weitere Auflagen und Beweissicherungen fest, die der Projektbetrei- ber Austrian Power Grid (APG) zum Teil bekämpft. Der Sachverständige Wolfgang Stundner stellte „keine maßgebliche Gefährdung“der Wasserversorgung fest. Allerdings fand er eine Diskrepanz im Genehmigungsbescheid der ersten Instanz: 17 Quellen seien darin nicht berücksichtigt. Auch für diese müssten die Beweise gesichert werden. Den Betroffenen sei, als das Verfahren noch beim Land war, mitgeteilt worden, dass ihre Quellen aufgenommen würden. Sie hätten sich darauf verlassen und „vielleicht deswegen keine Beschwerden erhoben“.
Landesgeologe Rainer Braunstingl äußerte keine grundsätzlichen Bedenken gegen das Vorhaben, wenn (erweiterte) Auflagen eingehalten werden. Für neun Quellen werde beim Bau der Masten sicherheitshalber eine Ersatzwasserversorgung vorgeschrieben. Das sei eine Vorsorge für größere Ölunfälle. Weitere Quellen seien sehr fern und würden praktisch nicht beeinträchtigt. In puncto Rutschgefahr wären die Bereiche Taxenbach und Spumbachgraben (Adnet) besonders betroffen. Hier werde eine Bauaufsicht zusätzlich vorgeschrieben.
Der Wildbach- und Lawinenverbauungsexperte Christoph Skolaut sieht keinen Grund, die Beurteilung aus der ersten Instanz zu ändern. Wenn die Vorschreibungen eingehalten würden, gebe es „beim Bau geringfügig negative und im Betrieb nicht relevante Auswirkungen“.
IG-Erdkabel-Rechtsanwalt Wolfgang List wollte wissen, ob die Maststandorte zentimetergenau fixiert seien und wie groß die Toleranz sei. Die APG antwortete, jeder Standort sei mit GPS festgelegt, „es gibt daher keine Toleranz“. Für die Freileitungsgegner hat Geologieprofessor Georg Spaun Maststandorte bei Lokalaugenscheinen exakt analysiert. Ein Mast in Adnet würde laut Plan auf einer Gemeindestraße errichtet. Als Untergrund sei Fels angenommen. In Wirklichkeit handle es sich um verrutschten, aufgelockerten Fels. „Hier ist der Bau fast unausführbar. Man muss mit großen offenen Spalten rechnen.“Große alte und aktive Rutschungen sowie Muren stellte er zum Beispiel auch in Eschenau
bei Taxenbach fest. „Solche Standorte sind meiner Meinung nach für Masten ungeeignet, auch wenn sie auf Pfählen begründet werden.“
Der Adneter Isidor Ziller bestätigte als Anrainer und Jäger die Angaben Spauns: „Hier sind Klüfte im Untergrund. Das weiß ich, weil sich in unmittelbarer Nähe ein Dachsbau befindet, der sich ausbreitet.“Das Verhalten und das Gebell von Hunden würden das zeigen. Landwirt Mathias Höllweger warnte vor extremen Wetterereignissen wie zunehmendem Starkregen. Es handle sich hier „eher um Katastrophengebiete als um die Trasse einer 380-kV-Leitung“.
Der Landesgeologe räumte einige problematische Standorte ein, gab aber zu bedenken: Stromleitungen führen seit Jahrzehnten etwa „durch stark kriechende Rutschhänge“– zum Beispiel eine 110-kV-Leitung am Haunsberg im Flachgau oder die 380-kV-Leitung im Oberpinzgau. Der Projektbetreiber habe für jeden Mast geeignete Baumaßnahmen vorbereitet. APG-Projektleiter Wolfgang Hafner verwies auf die große technische Erfahrung der APG bei Leitungen in ganz Österreich. „Wir können das.“
Richterin Silvia Krasa nahm Sachverständige gegen Vorwürfe, sie hätten nicht überall Lokalaugenscheine gemacht, in Schutz: „Man muss nicht zu jedem Mast hinrennen.“Nur bei Unklarheiten sei das notwendig.