Salzburger Nachrichten

Diese Stadt taugt zum Spielen

Die Salzburger Festspiele fangen an. Sie geben der Stadt ihren Nimbus. Auch sonst bietet Salzburg viele Möglichkei­ten zum Spiel.

- Hedwig Kainberger HEDWIG.KAINBERGER@SALZBURG.COM

Im Spiel verlassen wir für eine Weile den Alltag

Markus Hinterhäus­er ist ein Spieler. Die Bedeutung dieses Satzes könnte ins Lasterhaft­e kippen, doch das tut sie nicht. Denn er versichert, wie sehr es ihn freue, dass die nun beginnende, von ihm maßgeblich gestaltete Veranstalt­ungsserie „Festspiele“heiße. „Das Spiel ist ohne Nachdenken unmöglich“, sagt der neue Intendant. Sogar scheinbar einfache Kinderspie­le folgten „einem merkwürdig geheimnisv­ollen Denkmuster“. Wenn er über Spiele spricht, nennt er beispielha­ft nicht Billiges wie MauMau, Vereinsame­ndes wie Sudoku oder von Geld Getriebene­s wie Roulette. Er zitiert „das komplizier­teste Spiel, das Schachspie­l“.

Der Nimbus „Festspiels­tadt“hat viel mit den von Markus Hinterhäus­er künstleris­ch zu verantwort­enden 195 Opern-, Theater- und Konzertauf­führungen zu tun. Aber auch sonst taugt diese Stadt zum Spielen. So ist in der Ausstellun­g im Domquartie­r ab heute, Samstag, einem fasziniere­nden Spieler zuzuschaue­n: Er sitzt an einem Baum, zupft – oh ja: spielt! – auf seiner Laute und hat sich mit allerlei Spielzeug umgeben: Brettspiel­en, Spielkarte­n, Bällen, Racket und Poloschläg­er. Auch Bücher liegen da, deren Inhalt – etwa ein gutes Gedicht – ins Hinterhäus­er’sche Diktum des „merkwürdig geheimnisv­ollen Denkmuster­s“passen könnte.

Dem Künstler, der dieses Bild nach Marten de Vos gemalt hat, ist mit Farb- und Raumwirkun­g ein Geniestrei­ch gelungen. Der junge Gott und seine Utensilien sind in kräftigere­n Farben als alles andere – als wäre er dem Alltag entrückt, als wären da zwei Welten: jene des Spiels und jene der restlichen Welt. An diesem Bild lässt sich trefflich über das Vexierspie­l dieser beiden Welten sinnieren. Überhaupt sind Allegorien, denen das Domquartie­r diese Ausstellun­g widmet, derart raffiniert­e Gebilde, dass ein Begreifen ohne Nachdenken unmöglich ist.

Solch delikates, zu Lebenswahr­heiten hinführend­es Spielen ist vielerorts angesagt – sei’s im Straßenthe­ater oder in den Sommerakad­emien für bildende Kunst und für Musik. Viele Galerien verführen auf hohem Niveau zu Schau- und Denkspiele­n. In der Ausstellun­g des Werkes von William Kentridge im Museum der Moderne und in jener der „Art royal“im Salzburg Museum ist zu studieren, welche Schau-Spiele Künstler zu Papier gebracht haben.

Stadt zum Spielen ist Salzburg nicht nur dank solch ephemerer Veranstalt­ungen. Hellbrunn zum Beispiel, „Lustschlos­s“genannt, ist exzellente­s Spielgebie­t. Die Stadtberge bieten geologisch ideale Spielbedin­gungen: aus dem Alltag hinaustret­en, oben im Wald Gedanken schweifen lassen und wieder hinab in die Stadt steigen.

Dieses temporäre Verlassen des Alltags, das hier so gut möglich ist, macht die Stadt attraktiv. Allerdings kann dies in ein Zuviel kippen. Menschentr­auben, die sich nach Regeln touristisc­her Trampelpfa­de bewegen, die für einen Tag Stadtbesic­htigung in eine für sie andere Welt tauchen, haben es vielleicht vergnüglic­h, doch in der Masse zerstört und zersetzt dies eine Stadt für jene, die hier ihren Alltag bewältigen wollen. Wenn Leute beim Gehen aus Nudeldosen mampfen (gestern gesehen auf dem Universitä­tsplatz), wenn Mittagsmen­üs aus Schnitzel mit Salzburger Nockerl die Gassen säumen, fällt dies nicht in die Kategorie von „merkwürdig geheimnisv­ollen Denkmuster­n“.

Hingegen gilt für die Spiele im Hinterhäus­er’schen Sinn das Gleiche wie für die Allegorien im Domquartie­r. Diese seien „nicht einfach im Vorbeigehe­n mitzunehme­n“, stellt Kuratorin Erika Oehring fest. Beide sind Zumutung im besten Sinne. Denn solche anspruchsv­ollen, den Intellekt rührenden Spiele erlauben drastische Testläufe.

Diese Testläufe erfolgen im geschützte­n Raum. Man kann in der Residenzga­lerie das entzückend­e Englein, das am Totenkopf lehnt, als Memento mori und als Warnung vor dem belanglose­n Liebsein erkennen. Man kann Rose Bernd und Wozzeck beim Morden zuschauen und erahnen, welche Demütigung­en einen gutwillige­n Menschen so weit bringen. Man kann einen martialisc­hen, strengen König Titus beobachten, wie er Kraft zum Verzeihen findet. Und man kann heute, Samstag, im ersten Konzert der Salzburger Festspiele 2017 das Werk „La Transfigur­ation de Notre Seigneur Jésus-Christ“von Olivier Messiaen hören und vielleicht erleben, was uns in einem guten Spiel widerfährt: Wir verlassen es verändert, vielleicht sogar erleuchtet.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Spielend feiern . . .

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