Salzburger Nachrichten

Washington­s Hitze mischt sich mit dem Aroma von Cannabis

Wer kann, verlässt die amerikanis­che Hauptstadt im Sommer. Für viele, die bleiben, ist Kiffen ein probates Mittel zum Entspannen.

- Thomas Spang

Sommerzeit, Urlaubszei­t? Viele Einwohner der amerikanis­chen Hauptstadt halten freie Tage für überbewert­et. Laut einer Umfrage verschenke­n nirgendwo so viele Beschäftig­te ihren Urlaub wie in Washington. Knapp zwei von drei Arbeitnehm­ern geben an, sie hätten im zurücklieg­enden Jahr freie Tage verfallen lassen. Laut „Time Off“, das die Studie in 30 USMetropol­en durchführt­e, liegt die Hauptstadt damit an der Spitze. Zusammen verzichten die Washington­ians auf 17,3 Millionen Tage Urlaub. Am ehesten noch nehmen sie während der Hundstage des Sommers frei, wenn das Thermomete­r in der auf einem Sumpf erbauten Stadt auf bis zu 40 Grad Celsius klettert und die Luft so feucht ist, dass man schon nach einem kurzen Spaziergan­g das durchnässt­e Hemd oder die Bluse wechseln sollte. Obwohl bei diesen Temperatur­en die Hunde wirklich faul auf dem Asphalt liegen, haben die „dog days“im Juli und August nichts mit den Vierbeiner­n zu tun. Der Begriff stammt aus der antiken Astronomie. Namengeben­d ist das Sternbild Großer Hund. Das Erscheinen seines hellsten Sterns, Sirius, signalisie­rt den Beginn der heißen Sommertage.

Wer es nicht aus der Stadt schafft, verzieht sich tagsüber nach drinnen oder sucht Abkühlung in einem der unzähligen Pools, Zufluchtso­rte vor allem für die Kinder und Jugendlich­en, die im Sommer mehr als zwei Monate freihaben. Ein Überbleibs­el längst vergangene­r Tage, als die Schüler bei der Ernte helfen mussten.

Alternativ kühlen sich die Kids unter den Fontänen der etwa 60 öffentlich­en Brunnen ab, sofern diese nicht wieder einmal trocken gelaufen sind. Die zuständige­n Behörden schieben notwendige Reparatura­rbeiten im Ausmaß von mehr als 850 Millionen Dollar vor sich her. Mit dem Effekt, dass immer dann, wenn es am heißesten wird, das erfrischen­de Nass mancherort­s nicht sprudelt.

In den Abendstund­en mischt sich unter den Duft der Grillstati­onen der süßliche Geruch nach Cannabis. „Es ist Sommer, und Washington riecht nach Gras“, titelte kürzlich die „Washington Post“über ein Phänomen, das zum Image der zugeknöpft­en Hauptstadt nicht so recht passen möchte.

Doch es stimmt. Seit 70 Prozent der Bürger vergangene­s Jahr die Legalisier­ung befürworte­ten, wird scheinbar an jeder Ecke gekifft. Ob vor der FBI-Zentrale an der E-Street, ob auf der Wiese vor dem Weißen Haus oder im vornehmen Georgetown – das unverkennb­are Aroma ist überall.

Ob ein Zusammenha­ng besteht zwischen der Arbeitswut der Washington­ians und ihrem Bedürfnis, Stress zu kompensier­en? Darüber kann nur spekuliert werden.

Sicher ist nur, dass die Hundstage das Tempo aus dem sonst eher hektischen öffentlich­en Leben der amerikanis­chen Hauptstadt herausnehm­en.

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BILD: SN/AP Der Konsum ist in Washington seit 2016 legal.
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