Washingtons Hitze mischt sich mit dem Aroma von Cannabis
Wer kann, verlässt die amerikanische Hauptstadt im Sommer. Für viele, die bleiben, ist Kiffen ein probates Mittel zum Entspannen.
Sommerzeit, Urlaubszeit? Viele Einwohner der amerikanischen Hauptstadt halten freie Tage für überbewertet. Laut einer Umfrage verschenken nirgendwo so viele Beschäftigte ihren Urlaub wie in Washington. Knapp zwei von drei Arbeitnehmern geben an, sie hätten im zurückliegenden Jahr freie Tage verfallen lassen. Laut „Time Off“, das die Studie in 30 USMetropolen durchführte, liegt die Hauptstadt damit an der Spitze. Zusammen verzichten die Washingtonians auf 17,3 Millionen Tage Urlaub. Am ehesten noch nehmen sie während der Hundstage des Sommers frei, wenn das Thermometer in der auf einem Sumpf erbauten Stadt auf bis zu 40 Grad Celsius klettert und die Luft so feucht ist, dass man schon nach einem kurzen Spaziergang das durchnässte Hemd oder die Bluse wechseln sollte. Obwohl bei diesen Temperaturen die Hunde wirklich faul auf dem Asphalt liegen, haben die „dog days“im Juli und August nichts mit den Vierbeinern zu tun. Der Begriff stammt aus der antiken Astronomie. Namengebend ist das Sternbild Großer Hund. Das Erscheinen seines hellsten Sterns, Sirius, signalisiert den Beginn der heißen Sommertage.
Wer es nicht aus der Stadt schafft, verzieht sich tagsüber nach drinnen oder sucht Abkühlung in einem der unzähligen Pools, Zufluchtsorte vor allem für die Kinder und Jugendlichen, die im Sommer mehr als zwei Monate freihaben. Ein Überbleibsel längst vergangener Tage, als die Schüler bei der Ernte helfen mussten.
Alternativ kühlen sich die Kids unter den Fontänen der etwa 60 öffentlichen Brunnen ab, sofern diese nicht wieder einmal trocken gelaufen sind. Die zuständigen Behörden schieben notwendige Reparaturarbeiten im Ausmaß von mehr als 850 Millionen Dollar vor sich her. Mit dem Effekt, dass immer dann, wenn es am heißesten wird, das erfrischende Nass mancherorts nicht sprudelt.
In den Abendstunden mischt sich unter den Duft der Grillstationen der süßliche Geruch nach Cannabis. „Es ist Sommer, und Washington riecht nach Gras“, titelte kürzlich die „Washington Post“über ein Phänomen, das zum Image der zugeknöpften Hauptstadt nicht so recht passen möchte.
Doch es stimmt. Seit 70 Prozent der Bürger vergangenes Jahr die Legalisierung befürworteten, wird scheinbar an jeder Ecke gekifft. Ob vor der FBI-Zentrale an der E-Street, ob auf der Wiese vor dem Weißen Haus oder im vornehmen Georgetown – das unverkennbare Aroma ist überall.
Ob ein Zusammenhang besteht zwischen der Arbeitswut der Washingtonians und ihrem Bedürfnis, Stress zu kompensieren? Darüber kann nur spekuliert werden.
Sicher ist nur, dass die Hundstage das Tempo aus dem sonst eher hektischen öffentlichen Leben der amerikanischen Hauptstadt herausnehmen.