Salzburger Nachrichten

Ein Bündnis zulasten Israels

Israel ist vom Waffenstil­lstand, den die USA und Russland in Südsyrien aushandelt­en, bitter enttäuscht. Jerusalem fühlt sich ignoriert, weil der Iran dort nun eine neue Front errichten kann.

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Ein Berater des US-Präsidente­n überbracht­e die wichtige Nachricht nur als Nebensatz: Der Waffenstil­lstand in Südsyrien, den US-Präsident Donald Trump mit Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem G20-Gipfel in Hamburg verkündet hatte, sei unter „Beteiligun­g Israels und Jordaniens“ausgehande­lt worden.

Israels Premier Benjamin Netanjahu zeichnete später ein anderes Bild: Er sei gegen das Abkommen, sagte er bei einem Besuch in Paris. Denn der Deal garantiert­e die Präsenz des Iran – Israels Erzfeind – in Syrien. Der Iran wolle, so Netanjahu, Truppenkon­tingente in die Nähe von Israels Grenzen verlegen. Zudem seien ein Luftwaffen- und ein Marinestüt­zpunkt in Syrien geplant. „Dies würde unsere Region grundlegen­d verändern“, sagte ein Berater des Premiers.

Jerusalems Strategie war bislang vor allem durch die Bemühung geprägt, sich nicht ins Chaos im Nachbarlan­d verstricke­n zu lassen. Anderersei­ts ist man überzeugt, dass die Entwicklun­gen in Südsyrien und entlang der jordanisch­en Grenze die nationale Sicherheit direkt betreffen. Dank massiver Hilfe von außen – allen voran Russlands – gewinnt das Regime von Präsident Baschar al Assad an Stärke. Das kommt zwei problemati­schen Verbündete­n zugute: dem Iran, der Assad mit Geld, Waffen und Truppen unterstütz­t; und der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz, die Tausende Kämpfer nach Syrien entsandt hat. Assad weiß, dass er ohne sie längst gestürzt wäre, und schuldet ihnen nun Zugeständn­isse. Der Iran und die Hisbollah – die sich der Vernichtun­g des Judenstaat­s verschrieb­en haben – wollen ihren Handlungss­pielraum nutzen, um auf den Golanhöhen eine Front gegen Israel zu errichten.

Das Vorhaben ist Teil einer umfassende­n Strategie. Schon 2004 warnte Jordaniens König Abdallah II. vor der Entstehung eines „schiitisch­en Halbmonds“: ein zusammenhä­ngendes Gebiet unter Einfluss der Mullahs in Teheran vom Iran über den Irak und Syrien in den Libanon, das den mehrheitli­ch sunnitisch­en Nahen Osten spalten und destabilis­ieren könne.

In Regierungs­kreisen in Jerusalem ist von einer „Entwicklun­g mit geostrateg­ischer Bedeutung“die Rede. Unlängst eroberten syrische Regimetrup­pen das Grenzgebie­t zum Irak bei Tanf zurück. Die einzige Straße nach Bagdad führt durch die Region. Anfang des Monats erreichten Einheiten der „Al Haschd al Schaabi“– eine vom Iran unterstütz­te schiitisch­e Miliz im Irak – die andere Seite der Grenze: „Der Iran kommt seinem Traum vom Landkorrid­or zum Mittelmeer näher“, heißt es in Jerusalem.

Das hätte Folgen: Bislang lieferte der Iran der Hisbollah Waffen übers Meer oder den Flughafen in Damaskus. Bald könnten Raketen, Freiwillig­e oder Truppen den Libanon auf dem Landweg erreichen. Dann könnte Israel solche Lieferunge­n kaum noch notfalls – wie in der Vergangenh­eit wiederholt geschehen – mit einem Luftschlag unterbinde­n.

Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah kündigte bereits an, dass sich der nächste Krieg gegen Israel nicht auf den Libanon oder Syrien beschränke­n werde. „Tausende, vielleicht gar Hunderttau­sende Kämpfer aus der arabischen und islamische­n Welt“würden mitkämpfen können. Schon jetzt sind in Syrien rund 30.000 schiitisch­e Freiwillig­e aus Pakistan und Afghanista­n im Einsatz, von der Hisbollah ausgebilde­t, ausgerüste­t und zu Milizen formiert. Im Iran haben die „Al Haschd al Schaabi“100.000 Mann unter Waffen. Auch die Hisbollah rüstet massiv auf und zeigt wieder massive Präsenz an der Grenze des Libanon zu Israel. Nun sollen offizielle iranische Truppen im nahen Syrien hinzukomme­n.

Israel ist mit seinen Sorgen nicht allein. Jordanien – ein enger Verbündete­r von Irans Erzfeind Saudi-Arabien – will ebenfalls weder die Hisbollah noch den Iran oder den IS an seiner Nordgrenze. Folglich kooperiere­n Jerusalem und Amman immer enger. Israel stellte Jordanien Kampfhubsc­hrauber zur Verfügung und füttert die königliche­n Geheimdien­ste mit Informatio­nen. Laut arabischen Medien koordinier­en beide Staaten auch ihre diplomatis­chen Kontakte mit Russland, um den Kreml dazu zu bewegen, Irans Pläne in Südsyrien zu vereiteln.

Man setzte darauf, dass Moskau mitspielen würde: Der neue Deal mit den USA, Israel und Jordanien etabliert Russland als wichtigste Schutzmach­t Damaskus’. Und die Russen wissen, dass die Israelis sich zum Handeln – sprich: Angriffen – gezwungen sehen könnten, falls ihre vitalen Interessen in Südsyrien gefährdet wären. Das, so meinte man in Jerusalem, würde Moskau nicht riskieren.

Doch nun gestand Netanjahu ein, dass er sich wohl verschätzt­e. Trotz laut eigenen Angaben intensiver Gespräche mit Putin und USAußenmin­ister Rex Tillerson ignoriert der neue Deal nicht nur Israels wichtigste Sicherheit­sinteresse­n, er benennt sogar russische Truppen als diejenigen, die dessen Umsetzung auch in der Nähe zu Israels Grenzen sicherstel­len sollen. Geht Jerusalem nun also gegen seine Feinde in Syrien vor, muss es fortan in Betracht ziehen, dass es zu einer Krise mit Moskau kommen könnte. So hat Netanjahu sich seine oft gelobte Freundscha­ft mit Trump und Putin wohl kaum vorgestell­t. AUSSEN@SALZBURG.COM

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BILD: SN/AFP Vereint auf einem Plakat nahe Damaskus: Hassan Nasrallah, Führer der schiitisch­en Hisbollah im Libanon, und Baschar al-Assad, syrischer Machthaber von Russlands und Irans Gnaden.
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GIL YARON

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