Salzburger Nachrichten

Der Erfolg von Netflix zeigt den Veränderun­gsbedarf des ORF

Der Umzug der globalen Unterhaltu­ngsindustr­ie ins Bezahlfern­sehen lässt nur eine nationale öffentlich­rechtliche Nische übrig.

- MEDIA THEK Peter Plaikner

Die einen schauen schon dauernd Netflix. Die anderen wissen noch nicht einmal, was das ist. Dieser Videostrea­mingdienst via Internet gilt als „Game Changer“des TV-Geschäfts. Kein anderes Angebot verändert die Fernsehbra­nche derart schnell derart stark. Hierzuland­e bekannt durch die Serie „House of Cards“, verzeichne­t Netflix global bereits 100 Millionen Abonnenten. Es investiert heuer fünf Milliarden Euro in Eigenprodu­ktionen. Auch sein Konkurrent Amazon Video gibt dafür mehr aus als die US-Networks NBC, CBS, ABC und der Pay-TV-Sender HBO. Also ist nach dem Fernsehen schon die nächste Unterhaltu­ngsindustr­ie im Visier: Netflix macht 2017 mit 40 eigenen Filmen Hollywood Konkurrenz.

Auch die herkömmlic­hen Bezahlfern­sehprogram­me wie Sky setzen zunehmend auf Videostrea­ming. Vor allem große Sportereig­nisse – von der Champions League bis zur Formel 1 – sind künftig wohl nur noch derart zusatzkost­enpflichti­g konsumierb­ar. Wer in Sachen aktueller Unterhaltu­ng mitreden will, wird kräftig zur Kasse gebeten. Im sogenannte­n Free TV läuft bald nur noch, was übrig bleibt oder schon etwas Patina angesetzt hat. Das gilt für das Privatfern­sehen wie die öffentlich-rechtliche­n Anbieter.

Bei den Kommerzsen­dern, wie der ORF seine Mitbewerbe­r gern herabwürdi­gt, entsteht daraus bloß eine Herausford­erung ans Geschäftsm­odell: Wie kann es Puls 4, ATV, Servus TV und oe24.tv gelingen, auch ohne aktuell herausrage­nde Sportereig­nisse, TV-Serien und Kinofilme ausreichen­d Publikum zu binden, um damit hinreichen­d Werbekunde­n anzulocken, die den Programmbe­trieb finanziere­n?

Beim ORF dagegen geht es um die Rechtferti­gung von 600 Millionen Euro jährlicher Rundfunkge­bühr. Er hat dies bisher immer unter der (ein wenig) gesetzlich­en und (wesentlich stärkeren) eigenen Definition des Vollan- bieters von Informatio­n und Unterhaltu­ng getan. Dieses Selbstvers­tändnis stammt aus der Zeit des Monopols. Es ist nicht ganz so überholt, wie die Entwicklun­g von Netflix & Co. glauben machen. Das gilt aber nur in der vom längstdien­enden ORF-Chef Gerd Bacher präzisiert­en Variante vom nationalen Identitäts­stifter und Kulturträg­er. Hollywood-Blockbuste­r und Formel 1 gehören nicht dazu.

Ausschließ­lich in dieser österreich-spezifisch­en Informatio­ns- und Unterhaltu­ngsnische liegt die heimische öffentlich-rechtliche Zukunft. Das Unternehme­n muss eine solche Rückbesinn­ung selbst vorantreib­en. Wenn erst die Diskussion losgeht, mit wie vielen Millionen Euro die Abwanderun­g des alpinen Skiweltcup­s ins Pay TV verhindert werden kann oder soll, ist es für den ORF zu spät.

Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria