Unter Kartellverdacht
Als hätten die deutschen Autobauer mit den Dieselproblemen nicht genug zu tun: Laut einem Bericht sollen sie geheime Absprachen getroffen haben. Es soll Selbstanzeigen geben.
Deutsche Autobauer stehen einem Bericht zufolge unter dem Verdacht jahrelanger illegaler Absprachen zulasten von Verbrauchern und Zulieferern. Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler sollen sich in einem gemeinsamen Kartell über Technik, Kosten und Zulieferer abgesprochen haben, wie das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“am Freitag meldete. Das Magazin berief sich dabei auf einen Schriftsatz, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbsbehörden eingereicht haben soll. Auch Daimler habe eine „Art Selbstanzeige“hinterlegt. Die Aktien der Autobauer sackten am Freitagnachmittag deutlich ab.
Volkswagen, Daimler und BMW wollten sich nicht dazu äußern. Daimler und BMW sprachen von „Spekulationen“. Das Bundeskartellamt in Bonn erklärte, „Details laufender Verfahren können wir nicht kommentieren“. Die EU-Kommission in Brüssel – oberste Wettbewerbsbehörde im europäischen Binnenmarkt – sagte der Deutschen Presse-Agentur zum angeblichen Schriftsatz von Volkswagen: „Zu diesem Thema geben wir keine Stellungnahme ab.“
Der Vorwurf wiegt schwer: Mehr als 200 Mitarbeiter der Unternehmen sollen sich seit den 1990er-Jahren in geheimen Arbeitskreisen abgestimmt und auf diese Weise den Wettbewerb außer Kraft gesetzt haben. Es soll um alle Details der Autoentwicklung gegangen sein. Dabei möglicherweise besonders brisant: angebliche Absprachen zur Technik für die Diesel-Abgasreinigung. Laut dem Bericht stimmten sich Daimler, BMW, Audi, Porsche und VW seit Jahren etwa darüber ab, wie groß die Tanks für AdBlue sein sollten – ein Harnstoffgemisch, mit dessen Hilfe Stickoxide in die harmlosen Bestandteile Wasser und Stickstoff aufgespalten werden. Da große Tanks teurer gewesen wären, sollen sich die Firmen auf kleinere Tanks geeinigt haben. Diese hätten aber später nicht ausgereicht, um Abgase ausreichend zu reinigen. Nach den „Spiegel“-Informationen könnte an dieser Stelle die Basis für den Dieselskandal gelegt worden sein. Im September 2015 hatte VW zugegeben, millionenfach Dieselmotoren manipuliert zu haben, deren Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand zufriedenstellend arbeitete. Auch das „Handelsblatt“meldete entsprechende Absprachen. Demnach findet sich unter den von der Staatsanwaltschaft München II bei Durchsuchungen im VW-Konzern, in Wohnungen und bei der US-Kanzlei Jones Day beschlagnahmten Unterlagen eine Audi-Präsentation namens „Clean Diesel Strategie“von April 2010. Darin sei von einem „Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene“die Rede. Dieses betreffe den Einbau kleinerer AdBlueTanks. In den Arbeitsgruppen sei es auch um die Auswahl von Lieferanten oder die Festlegung von Bauteilkosten gegangen, berichtete der „Spiegel“. Es bestehe „der Verdacht“– so soll es in der Selbstanzeige von VW heißen –, dass es zu „kartellrechtswidrigem Verhalten“gekommen sei. Eine Sprecherin der deutschen Finanzaufsicht Bafin konnte zunächst nicht sagen, ob die Unternehmen in einem solchen Fall dazu verpflichtet sind, die Finanzmärkte zu informieren. Im Kartellrecht sind Vereinbarungen verboten, die den Wettbewerb beschränken. Denn solche Absprachen können etwa Preise künstlich hoch halten oder die angebotenen Produktmengen verknappen – und damit Verbraucher schädigen.
Hintergrund der Kartellvorwürfe gegen die Autobauer sind laut „Spiegel“Ermittlungen wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreisen. Das Kartellamt hatte 2016 Büros von Autobauern und Zulieferern durchsucht. Nach Einschätzung des „Spiegel“fanden sich die Hinweise auf mögliche illegale Absprachen als „eine Art Beifang“.
Unterdessen kommt Bewegung in Sachen Diesel-Nachrüstung: Nach Daimler hat auch Autobauer Audi eine freiwillige Rückrufaktion für Dieselfahrzeuge auf den Weg gebracht. Audi biete ein Nachrüstungsprogramm für bis zu 850.000 Fahrzeuge mit den Abgasgrenzwerten Euro 5 und Euro 6 in Europa und weiteren Märkten an, teilte das Unternehmen am Freitag mit. Die Autos sollen demnach ein kostenloses Software-Update bekommen.
Audi wolle mit dem Update dazu beitragen, die StickoxidEmissionen in den Innenstädten zu reduzieren, und so auch möglichen Fahrverboten entgegenwirken, erklärte Audi. Der Rückruf gilt demnach auch für Modelle von VW und Porsche, die mit baugleichen Motoren ausgerüstet sind.
„Wollen mit dem Update die Emissionen in den Innenstädten reduzieren.“Audi