Sporthotels sind out, alles ist Sport
Früher reichte ein Tennisplatz, um ein Hotel zum Sporthotel zu machen. Heute braucht es gefinkeltere Strategien, um bei Sportlern und Amateuren zu punkten. Ein Berater plaudert aus dem Nähkästchen.
WIEN. Es gibt sie noch, die guten alten Sporthotels. Gut 3,2 Millionen Treffer ergibt eine spontane Anfrage auf der Internet-Suchmaschine Google – ein Zehntel davon mit Österreich-Bezug. Aber der Begriff und das Konzept dahinter haben einen radikalen Wandel erfahren. Das Sporthotel von einst hat mit heutigen Bedürfnissen und Anforderungen nichts mehr zu tun, die Bezeichnung kann sogar kontraproduktiv wirken, wie Berater Michael Regner meint. Nach aktiven Jahren in der internationalen Tophotellerie hat er mit Partnern das Beratungsunternehmen MRP gegründet, das sich mit allen Fragen rund um den Hotelbetrieb beschäftigt.
„Das braucht man heute nicht mehr draufschreiben, da nimmt dich keiner mehr ernst“, plaudert Berater Regner aus der Schule. Die für viele Ohren durchaus noch vertraute Bezeichnung kann heute freilich schon wieder einen gewissen Retrocharme vermitteln, stand sie doch in den 1960er-Jahren für die damals durchaus innovative Idee, dem Urlauber Sporteinrichtungen anzubieten. „Wer damals einen Tennisplatz neben dem Haus hatte, der hat sich Sporthotel genannt“, sagt Regner.
Das ist heute ganz anders. Nicht weil Sport keine Rolle mehr spielen würde. Ganz im Gegenteil, Sport durchdringt heute alles und ist ein integraler Bestandteil vieler, ja der meisten Urlaubsreisen geworden.
Das geht so weit, dass sich meist gar keine klare Abgrenzung zu anderen Urlaubsvergnügungen mehr ziehen lässt. Für immer mehr Menschen stehe Bewegung insgesamt im Vordergrund, meint Regner, der beobachtet, dass die Grenzen zwischen Sport, Wellness und verstärktem Körperbewusstsein zusehends verschwinden. „Es geht um Bewegung insgesamt und vor allem auch darum, selbst neue Erfahrungen zu machen.“
Für solche Erfahrungen sei Sport ideal – in Form von Veranstaltungen, aber zunehmend auch als Möglichkeit für die Industrie, neue Produkte zu testen. Immer mehr Sportfirmen etwa würden neue Produkte wie Mountainbikes in Hotels präsentieren, das biete Vorteile für alle Beteiligten: Die Sportindustrie mache neue Artikel bekannt, Gäste freuten sich über unverhoffte Erfahrungen und die Hoteliers über Umsatz außerhalb der eigentlichen Hauptsaison. Dass die Grenzen zwischen Sport, Erholung und Entspannung zunehmend ineinander übergehen, sieht auch Thomas Rottenberg, der Sprecher der Hotelgruppe Falkensteiner. Er veranschaulicht das mit einer rhetorischen Frage: „Ist die Herrenrunde, die in der Vorsaison in Jesolo täglich 150 Kilometer Strandradfahren im Veneto genießt, am Abend aber Weinverkostungen und Zigarren frönt, eine Sportgruppe?“Die ursprünglich aus Südtirol stammende Hotelgruppe Falkensteiner ist ein Beispiel dafür, wie sich Hotels auf das Thema Profisport konzentrieren. Im Falkensteiner Resort Punta Skala auf der gleichnamigen kroatischen Urlaubshalbinsel bereiten sich praktisch das ganze Jahr über Profisportler auf ihre Wettkämpfe vor, darunter etwa auch die Kärntner Triathletin Sara Vilic. So wie andere Spitzensportler nutzt sie die Zeit im April oder Mai, bevor der breite Gästestrom einsetzt.
Gerade für Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren oder Schwimmen bietet das milde Klima Dalmatiens ideale Voraussetzungen, ebenso die vielfältigen Landschaftsformen – flach an der Küste, hügelig oder anspruchsvoll-bergig. Sportler aus Österreich und Deutschland schätzen auch die geografische Nähe, Dalmatien offeriert ganzjährige Trainingsmöglichkeiten, ohne dass man dafür in ein Flugzeug steigen müsste – was beim Transport teurer Rennräder eine Herausforderung darstellt.
Eine solche Spezialisierung könne sich als Konzept gut bewähren, sagt Regner. Zudem würden Profisportler auch ambitionierte Hobbysportler anziehen. Daraus können große Trends entstehen, die ganze Tourismusregionen umkrempeln können. Ein Beispiel dafür ist Mallorca. Einst lockte das milde Klima der Mittelmeerinsel Profisportler an, die besonders im Winter auf der gebirgigen Insel trainierten. Freizeitradler folgten diesem Beispiel, der Tourismus begann, die Alternative zum Strandurlaub zu vermarkten, und es folgten weitere wetterunabhängige Ganzjahresan- gebote wie Golfanlagen. Eine wesentliche Rolle in der Erschließung des Sporttourismus für das komplette Kalenderjahr sieht Regner in den massiven Fortschritten bei der Sportbekleidung. Neuartige Materialien verleihen ihr eine Wasserund Windbeständigkeit, die den Einsatz praktisch zu jeder Witterung und zu jeder Jahreszeit erlaubt.
Profisportler wirken wie Magneten auf ambitionierte Hobbysportler. Manche Anbieter machen sich das gezielt zunutze. Wenn etwa der Punta-Skala-Triathlon samt kroatischer Staatsmeisterschaft rund um das Falkensteiner Resort stattfindet, reisen rund 500 Athleten an, neben lokalen Größen auch ausländische Gäste samt Begleitern und Unterstützern, um entweder den Hauptwettbewerb, die TriathlonMittelstrecke (1,9 km Schwimmen, 90 km am Rad und 21 km Laufen), den „Supersprint-Triathlon“(200 m Schwimmen, 7 km Rad und 1,8 km Laufen), einen „Aquathlon“oder einen Laufbewerb zu absolvieren. Falkensteiner fungiert dabei gleichzeitig als Mitveranstalter, Hausherr, Infrastrukturanbieter sowie als Unterkunft, auch für die Zeit davor und danach.
„Man will neue Erfahrungen machen.“Michael Regner, Hotelberater