Uhudler und Mutterbrust
Dirk Stermann Diskussionen darüber, wie lang Mütter Säuglinge stillen sollen, sind vergleichbar mit der endlosen Debatte, ob man Babys impfen soll. Erst wenn Roboter die Erde komplett übernommen haben werden, wird dieser Streit sich legen. Manche Kinder verlieren die Lust am Säugen, manche Mütter auch. Aber wie geht man mit dem Thema um, wenn beiden die Lust nicht wirklich abhandenkommt? Wann sagt man, genug, der Busen gehört wieder mir? Ich habe auch schon Dreijährige gesehen, die den Busen forderten und bekamen, aber den Vogel im Stillenschauen hat ein Bekannter von mir in einem osteuropäischen Zug abgeschossen.
Er fuhr von einem Ort mit „iv“am Namensende in einen Ort mit „iv“am Namensende. Dazwischen sah er aus dem Zugfenster auf Ostfelder und Ostwälder. Ihm gegenüber saß eine Mutter mit ihrem neunjährigen Sohn. Meine Bekannter nickte ihnen freundlich zu, die beiden nickten freundlich zurück und erzählten etwas in ihrer „iv“-Sprache, was mein Bekannter aber nicht verstand. Das Gespräch verebbte, dem Buben war merklich fad, auch mein Bekannter begann aus Langeweile aus seinem Reiseflachmann burgenländischen Uhudler zu trinken. Später schwor er, dass der Uhudler nichts mit dem zu tun hatte, was er nun sah: Der Neunjährige öffnete seiner Mutter die Ostbluse, öffnete ihren BH und schob sich die Brustwarze gekonnt in den Mund. Er beherrschte noch immer die Säuglingstechnik, mit Zunge und Unterkiefer einen Unterdruck zu erzeugen, um so die Milch fließen zu lassen. Er trank mehrere Minuten, während die Mutter wie unbeteiligt aus dem Fenster schaute. Schließlich schloss der Bub den BH wieder, knöpfte die Bluse zu und wischte sich zufrieden helle Muttermilchtropfen aus dem Mundwinkel.
Er lächelte, selig, wie nur Frischgestillte schauen. Der Bub lehnte sich entspannt zurück, holte aus seiner Jackentasche eine Zigarettenpackung heraus und zündete sich eine Ostzigarette an. Versonnen qualmend sah er aus dem Fenster auf die gleichen Teiche und Moore wie seine Mutter.
In …iv angekommen, berichtete mein Bekannter dem Rezeptionisten der Ein-SternPension von seinem Zugerlebnis. Der Rezeptionist sprach holperndes Englisch und fragte, was genau da jetzt das Erlebnis gewesen sei? In seinem Dorf würden die Kinder gestillt werden, bis sie das Haus verließen. Er selbst, heute knapp über 30, würde immer noch hin und wieder in sein Heimatdorf fahren, um sich die Brust seiner Mutter schmecken zu lassen. Das Problem sei ja, sagte der Rezeptionist, dass die Milch versiege, wenn sie nicht regelmäßig angespornt würde zu kommen. Man sei ja sehr dumm, ungewöhnlich dumm sogar, wenn man es so weit kommen ließe. Sei man etwa in Österreich so dumm? Dieses Gratisgeschenk der Natur versanden zu lassen?
Mein Bekannter aus dem Mittelburgenland bejahte. Der Rezeptionist schüttelte den Kopf. „Und das trinkt man in Österreich stattdessen?“Er deutete auf den Flachmann meines Bekannten. „Nicht stattdessen, aber manche im Burgenland direkt nach der Stillzeit.“Der Rezeptionist kostete vorsichtig den Uhudler und schüttelte sich.
„Crazy Austrians“, sagte er und lachte laut wiehernd, wie ein alter Ostgaul.
Das Hotel war sehr einfach. Zimmer am Gang, eigentlich nur ein Klo. Aus dem benachbarten „Zimmer“sah mein Bekannter einen etwa 50-jährigen Mann kommen, gefolgt von einer zahnlosen Ostgreisin. Der Mann wischte sich helle Milchtropfen vom Mund. Er wirkte sehr zufrieden.