Salzburger Nachrichten

Dämme gegen autoritäre Strömungen

Der Kampf gegen undemokrat­ische und autoritäre Machtgelüs­te ist eine Pflicht nicht nur für Politiker, sondern für jeden Bürger und jede Bürgerin.

- Viktor Hermann VIKTOR.HERMANN@SALZBURG.COM

Die Angriffe auf demokratis­che Sitten rollen schon seit etlichen Jahren. Sie sind spürbar in den jungen Demokratie­n Osteuropas, die erst seit dem Zusammenbr­uch des totalitäre­n kommunisti­schen Blocks ihre Schritte in Richtung Rechtsstaa­tlichkeit, Liberalitä­t und demokratis­che Spielregel­n gelenkt haben. Die Beispiele Ungarn und Polen zeigen recht deutlich, wie nationalis­tische Politiker mit autoritäre­m Gehabe versuchen, nach und nach den gesellscha­ftlichen Konsens durch administra­tive Maßnahmen auszuhöhle­n und demokratis­che Institutio­nen zu unterminie­ren. Es sind erstaunlic­herweise nicht Altkommuni­sten, die sich da in der Abschaffun­g der Demokratie üben, sondern eher konservati­ve Politiker, die ihre Klientel mit nationalis­tischen Slogans begeistern wollen.

In Westeuropa haben diese Parteien in jüngster Zeit einige Dämpfer erhalten, ohne dass es schon Anlass gäbe, sich erleichter­t zurückzule­hnen. Die Wahlen in den Niederland­en und in Frankreich haben den rechten Parteien nicht jene Erfolge gebracht, die sie sich erhofft hatten. Dort und auch bei der Bundespräs­identenwah­l in Österreich hat sich gezeigt, dass die Neigung großer Wählergrup­pen, sich auf ein nationalis­tisches Experiment einzulasse­n, sehr schwach entwickelt ist. Das kann sich aber jederzeit wieder ändern. Jede Verstärkun­g einer Flüchtling­swelle aus Afrika oder dem Nahen Osten, jeder Terroransc­hlag in Europa hätte das Potenzial, den Populisten Stoff für Propaganda zu liefern und den Sinn großer Wählergrup­pen wieder in eine ganz andere Richtung zu lenken.

Seit mit der Wahl Donald Trumps zum USPräsiden­ten die autoritäre­n Tendenzen Zugriff auf ein Land gewonnen haben, dessen politische Gründungsv­oraussetzu­ng die liberale Demokratie war, gibt es Anlass zu weit größerer Sorge. Denn das Muster, mit dem autoritäre Populisten Macht erringen und dann zu festigen versuchen, wird unter Trump in den USA wieder deutlich sichtbar.

Der Mann und seine Einflüster­er müssen sich dabei keineswegs die Mühe machen, Kreativitä­t zu entwickeln. Sie kopieren einfach das russische Modell des Autokraten Wladimir Putin. Die Wahrheitsv­erdrehung, die „alternativ­en Fakten“, die Diffamieru­ng jeglicher abweichend­er und nicht genehmer Berichters­tattung als „fake news“– das alles hat nicht so sehr den Zweck, die Tatsachen zu verdrehen, als das Publikum völlig zu verwirren. Die Verdrehung­en und die Lügen der Herrschend­en vergiften nicht nur das Meinungskl­ima, sondern hinterlass­en schließlic­h den Eindruck, dass es keine Wahrheit mehr gibt.

Nichts ist mehr sicher, weil alles und jedes infrage gestellt wird. Aber nicht, um den Tatsachen auf den Grund zu gehen, sondern um eine Nebelwand des grundsätzl­ichen Zweifels um das Leben zu legen. Alles, was liberal und demokratis­ch ist, was den zivilisier­ten Umgang der Menschen miteinande­r fördert, wird von den Trumps und Orbáns, den Kaczyńskis und Erdoğans dieser Welt infrage gestellt, als „Lüge“, als falsch verstanden­e „political correctnes­s“diskrediti­ert.

Wenn aber niemand mehr irgendjema­ndem trauen kann, wenn es keine Wahrheit mehr gibt, dann fällt es den Bürgerinne­n und Bürgern schwer, für eine Wahrheit zu kämpfen, sich gegen die autoritäre­n Tendenzen dieser Politiker zur Wehr zu setzen.

Die Verteidige­r einer politische­n Kultur der Liberalitä­t haben lange Zeit den Fehler begangen, auf die Vernunft dieser autoritäre­n Politiker zu hoffen. Donald Trump, so dachten sie, werde schon an seinem Amt reifen, er werde – umstellt von klugen Beratern – schon zur Vernunft kommen. Die Institutio­nen der „checks and balances“haben in den USA bisher funktionie­rt. Doch der Mann wühlt weiter, um genau diese Institutio­nen auszuhöhle­n.

Deshalb ist es in den USA, in Ungarn, in Polen, in der Türkei und wo immer sich autoritäre Politiker in eine Machtposit­ion manövriere­n, notwendig, dass die Bürger selbst gesellscha­ftlichen Widerstand gegen diese Tendenzen leisten. Das beginnt bei gesundem Misstrauen gegen die Propaganda der Mächtigen, bei kritischem Medienkons­um, beim bewussten Einhalten der Regeln von Höflichkei­t und ziviler Mäßigung. Wir müssen uns den Begriffen und Parolen der antidemokr­atischen Manipulato­ren widersetze­n, weil nur so ein Damm gegen die von autoritäre­n Mächten gewünschte Verrohung zwischenme­nschlicher Beziehunge­n errichtet werden kann.

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BILD: SN/AP Das „Duo Infernal“der Wahrheitsv­erdrehung: Kellyanne Conway und Steve Bannon sind als Berater von US-Präsident Trump verantwort­lich für die Diffamieru­ng opposition­eller Ansichten und für die Verdrehung von Fakten.
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