Polens Präsident ist die letzte Bastion
Der Protest gegen die von den Nationalkonservativen geplante Justizreform lässt nicht nach.
Tausende Polen haben am Wochenende landesweit gegen die heftig kritisierte Justizreform der nationalkonservativen Regierung demonstriert. Mit dem Senat hatte auch die zweite Parlamentskammer in der Nacht zum Samstag für den Umbau des Justizwesens gestimmt. Die Volksvertreter ignorierten damit sowohl Sanktionsdrohungen der EU-Kommission als auch warnende Stimmen im In- und Ausland, die um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz fürchten. Nun fehlt noch die Unterschrift von Präsident Andrzej Duda.
Bei einer Kundgebung in der Hafenstadt Danzig rief Ex-Präsident Lech Wałęsa zur Verteidigung der Gewaltenteilung auf. Auch der aus Polen stammende EU-Ratspräsident Donald Tusk appellierte in einem Interview des Senders TVN24, jede Möglichkeit zu nutzen, um Polen wieder auf den richtigen Weg zu bringen.
Die Reformen sollen es der Regierung ermöglichen, Richter des Obersten Gerichts in den Ruhestand zu schicken und ihre Posten neu zu besetzen. Die Richterposten in dem über die Unabhängigkeit der Justiz wachenden Landesrichterrat sollen ebenfalls neu besetzt werden. Die Zustimmung des Parlaments galt im Vorfeld als sicher, weil die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jarosław Kaczyński mit absoluter Mehrheit regiert.
Sobald Präsident Duda unterschrieben hat, kann die Reform in Kraft treten. Dafür hat er 21 Tage Zeit. Das Staatsoberhaupt kann den Entwurf aber auch vom Verfassungsgericht prüfen lassen, das nach einer PiS-Reform 2015 allerdings als befangen gilt. Dritte Option Dudas wäre ein Veto und die Bitte an den Sejm – das polnische Unterhaus – um Überarbeitung.
Die Auseinandersetzung hat auch das Ausland erreicht. Die USRegierung als traditioneller Verbündeter riet Warschau davon ab, „Gesetze zu erlassen, die die gerichtliche Unabhängigkeit und Rechtsstaatlichkeit in Polen zu untergraben scheinen“. Auch in Berlin sorgten die angestrebten Änderungen für Beunruhigung. „Dem kann die EU nicht tatenlos zusehen“, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Dass Brüssel Strafen prüfe, begrüße er: „Wer den Rechtsstaat so wenig achtet, nimmt in Kauf, dass er sich politisch isoliert.“
Die EU-Kommission drohte bei Inkrafttreten der Reform ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags an. Dieser sieht als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte vor. Am Mittwoch will Brüssel erneut über Polen beraten. Inwiefern die Kommission allerdings durchgreifen kann, war unklar. Denn Sanktionen müssten von allen Mitgliedsstaaten gebilligt werden.
Polens Nationalkonservative fühlen sich von der Kommission ungerecht behandelt. Vizepräsident Frans Timmermans führe gegen Warschau eine „persönliche Mission“, hieß es.