Raritäten spiritueller Musik zeigen eine besondere Note
Wenn man von Festspielen gerne das Unverwechselbare fordert, so wurde das nachgerade idealtypisch schon am Sonntag bei der ersten MozartMatinee eingelöst. Nur der Titel passte diesmal nicht so recht. Vom Namenspatron erklang nämlich nur, als allerdings bestens passender Appendix, das schlichte, kurze, aber immer wieder intensive „Ave verum corpus“. Zuvor wurden von der in ihrem ureigenen Metier glänzend reüssierenden Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla zwei ungewöhnliche und kaum je gespielte Chorwerke ereignishaft zu einem Raritäten-Tableau gebündelt: die Messe Nr. 2 in e-Moll für Chor und Bläserensemble von Anton Bruckner und das Stabat mater des 19-jährigen Franz Schubert, das nicht dem obligaten „Christi Mutter stand in Schmerzen“folgt, sondern einer umdeutenden Dichtung des Protestanten Klopstock: „Jesus Christus schwebt am Kreuze“.
Kirchenmusik als liturgische Gebrauchsmusik in den weltlichen Konzertsaal zu verlagern ist zwar längst Usus. Wer aber Bruckners herbe, kontrapunktisch dicht und raffiniert verarbeitete, in den Unisono-Passagen aber auch archaisch-strenge zweite Messkomposition hört, spürt gleichwohl den Kathedralklang in ihr mit. Die 28 hochgebildeten Stimmen des Estnischen Kammerchors, die im Mozarteum zur Verfügung standen, ließen das filigrane Gewebe ebenso hören wie den mächtigen, vom Dunkel der Bläser gestützten „Vollsound“: eine fulminante, majestätisch-energiereiche halbe Stunde.
So außergewöhnlich die Bruckner-Besetzung, so konventionell nach außen dann die Schubert-Darbietung. Im Inneren freilich lassen sich in den zwölf Teilen vielfältige und experimentierfreudige Kombinationen ausmachen: Choral, Fuge, geistliche Arie, subtile Terzette. Christiane Karg, Martin Mitterrutzner (mit einer besonders individuell gefärbten, wehmütigen Tenorarie) und Michael Nagy waren stilkundige, dabei luxuriöse Solostimmen, der Chor bestens präpariert und das Mozarteumorchester allen ein intelligent wachsamer Begleiter mit eigenen Farben.