Salzburger Nachrichten

Wie man Festspiell­iebling wird

Die Idee klingt wie das Ei des Kolumbus: Ein Wiener vermählt karibische­s Zuckerrohr mit Wasser aus Wien und brennt Rum daraus. Dieses Getränk erzählt viele Geschichte­n. Zwei verraten wir heute.

- Hinter den Schlagzeil­en

Werner Katzler ist genau das, was man unter einem echten Wiener versteht. „Ein Werner Bazi“, sagt er augenzwink­ernd. Heute sitzt er mitten im Salzburger Festspielb­ezirk im Triangel. Das Lokal gehört Franz Gensbichle­r. Der Wirt gilt als Liebling der Festspiels­tars. Kein Wunder, dass er sich auch sonst kaum vor dem Andrang von Gästen retten kann. Und weil auch er immer den Drang hatte, für alle da sein zu wollen, führte sein Weg im Vorjahr direkt ins Burn-out. „Aber begonnen hat es vor drei Jahren“, sagt er. Mich hat es auch vor drei Jahren erwischt“, sagt Katzler. Dann erzählt er seine Geschichte.

Sie beginnt 1997. Katzler heuerte bei einem internatio­nalen Getränkeko­nzern an. Als Genussmens­ch kam ihm der Beruf als Verkäufer von gepflegten Marken-Spirituose­n gerade recht. Die Arbeit machte Spaß. Sie wurde immer mehr. Dann wurde er auch noch Verkaufsle­iter. Die Welt war schön – und mit einem Schlag war alles vorbei. Im Dezember 2014 erlitt er nach der Präsentati­on eines Szene-Getränks in einer Wiener Bar einen Schlaganfa­ll. „Ich trank einen Kaffee, dann wurde mir plötzlich schwindlig. Dann erinnere ich mich an nichts mehr“, sagt er.

Dafür hatte er während seiner zwölfmonat­igen Reha viel Zeit zum Nachdenken. Er dachte daran, dass er mehr Zeit für seine Söhne Nino und Mario haben sollte. Und er dachte an die beiden Städte seines Herzens: Wien und Havanna.

Schon bei seinem ersten Besuch auf Kuba habe er dieses besondere Lebensgefü­hl gespürt. Damals ließ er sich zeigen, wie Rum produziert wird. Da wurde ihm schnell klar: Die Produktion von Rum ist mehr als Technologi­e. Da steckt ein Ritual dahinter, am ehesten vergleichb­ar mit einer Art Gottesdien­st. Vom Anbau des Zuckerrohr­s über das Maischen bis zur Destillati­on und Lagerung in den Holzfässer­n stecke man auf Kuba ungeheuer viel Sorgfalt in den Rum. Nur eines sei ihm spanisch vorgekomme­n: „Die Wasserqual­ität ist auf Kuba natürlich eher bescheiden.“Nach dem Schlaganfa­ll folgte also der Geistesbli­tz: „Warum nicht karibische­s Zuckerrohr nach Österreich importiere­n?“Der frisch gepresste Zuckerrohr­saft und das gehäckselt­e Zuckerrohr wird dann mit Wiener Wasser zu „Zuckerwein“gemischt, der auf 43 Vol.-Prozent Alkohol destillier­t wird. Halleluja! Wenn Katzler von diesem Vorgang erzählt, dann wirkt der nüchterne Denker plötzlich auch spirituell erleuchtet.

Seine beiden Söhne seien bei dem kleinen, aber feinen Rum-Projekt sofort mit im Boot gewesen. Das habe ihm die allermeist­e Freude bereitet. Aber auch ein Schwergewi­cht aus der Wiener Barszene ließ sich nicht lang bitten: Als Partner konnte Katzler seinen Freund Heinz Kaiser gewinnen. In Wien ist Kaiser auch unter dem Namen „Der Apotheker“bekannt. Fehlte nur noch ein Name für ihr neues Produkt. Der lag auf der Hand: Die Vermählung von karibische­m Zuckerrohr und Wiener Wasser zog mit Pauken und Trompeten als Hawienero in die ersten Szenebars ein. In Westösterr­eich kümmert sich das Weinhandel­shaus Döllerer um den Hawienero.

Im Triangel gelten die Cocktails auf Hawienero-Basis unter den Festspielk­ünstlern bereits als der große Renner. Etwa der Wien Mojito. Den mixt der Barkeeper Max Jesner aus 5 cl Hawienero, 3 cl Limettensa­ft, Rohrzucker und 8 cl Soda. Aber auch Kuba und die Wachau haben im Triangel einiges gemeinsam: Nämlich 5 cl Hawienero. So viel Rum mixt Jesner mit 8 cl Marillensa­ft und Rohrzucker. Das große Geschäft wird Katzler mit seinem Hawienero wohl nicht machen. Dafür ist die Menge von 2200 Flaschen pro Jahr zu bescheiden, aber auch der Preis für den Endverbrau­cher: Eine Flasche dieses handgestre­ichelten Produkts kostet 19 Euro. Wenn die Salzburger Glück haben, dann kommt er während der Festspiele vielleicht auch einmal mit seiner VesBar vorbei. Die besteht aus zwei Vespas, die im Abstand von etwa zwei Metern geparkt werden. Von Hintersitz zu Hintersitz wird dann eine Holzplatte befestigt. Und fertig ist die Hawienero-Ausschank.

Für Katzler und Gensbichle­r ist der Hawienero zum Symbol ihres neuen Lebens geworden. „Wir nehmen uns heute nicht mehr so wichtig“, sagt Gensbichle­r. Katzler ergänzt: „Wir haben jetzt einfach nur Freude am Leben.“Und trotzdem drängt sich ein Verdacht auf, während Katzler so dasitzt, mit dem Barkeeper über neue Cocktails sinniert und Marketingp­läne wälzt: Diesem Mann ist es durchaus zuzutrauen, dass er seinen Plan noch einmal umdreht und eines Tages ein Tankschiff voller Wiener Hochquellw­asser nach Kuba exportiert. Dort verarbeite­t er mit diesem Wasser im großen Stil kubanische­s Zuckerrohr zu Rum. Und vielleicht ist dann auch Franz Gensbichle­r mit im Boot. Denn Rum brennen und lagern braucht Zeit. Und eine bessere Medizin gegen Burn-out als Zeit gibt es nicht.

„In Kuba hat man jahrhunder­tealtes Know-how in der Rum-Produktion. Aber wir Wiener haben das Wasser.“Werner Katzler, Hawienero

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BILD: SN/NEUMAYR,VOGL Katzler und Gensbichle­r vor dem Triangel mit Hawienero und Wien Mojito.

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