Salzburger Nachrichten

Hunde machen Kühe aggressiv Kühe dürfen auf Almen frei gehalten werden

Gerade wenn Wanderer Hunde mitführen, kommt es immer wieder zu folgenschw­eren Begegnunge­n mit Weidetiere­n. Rechtlich sind in solchen Fällen die Almbauern meist im Vorteil.

- WOLFGANG ZARL

Im Juli 2014 wurde eine 45-jährige Deutsche, die einen Hund führte, auf einem Wanderweg auf einer Tiroler Alm von mehreren frei laufenden Kühen angegriffe­n und tödlich verletzt. Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck ermittelte gegen den Almwirt wegen fahrlässig­er Tötung, stellte das Verfahren aber ein, da dem Wirt keine Verletzung einer Sorgfaltsp­flicht nachzuweis­en war.

Der Witwer und der Sohn des Opfers klagten daraufhin den Almwirt beim Landesgeri­cht Innsbruck auf 359.905 Euro (Schmerzens­geld, Begräbnisk­osten etc.), da dieser die Tiere nicht ordnungsge­mäß verwahrt habe. Er hätte einen Weidezaun errichten müssen, dieser hätte den Unfall verhindern können. Dem entgegnete der Almwirt, die Errichtung derartiger Zäune auf Almweidefl­ächen sei weder zumutbar noch ortsüblich, zudem habe er bereits vor dem Vorfall mehrfach auf Hinweissch­ildern auf die von Mutterkühe­n ausgehende­n Gefahren hingewiese­n. Ein Urteil im Zivilproze­ss ist noch nicht ergangen.

Das Betreten einer Weide ist vor allem in Begleitung eines Hundes gefährlich. Folgenschw­ere Zwischenfä­lle mit Kühen können, wie das angeführte Beispiel zeigt, vor Gericht landen. Wie ist nun die Rechtslage? Was müssen Tierhalter und Wanderer beachten?

Jeder Landwirt hat, wie jeder Tierhalter, seine Nutztiere grundsätzl­ich auf die erforderli­che Weise zu verwahren und zu beaufsicht­igen. Für Weidetiere sind diese Anforderun­gen „gelockert“. Rechtspoli­tisch wird dies damit gerechtfer­tigt, dass mit einem überspannt­en Regelwerk die Viehhaltun­g auf Almen unmöglich gemacht würde.

Nach der Rechtsprec­hung des Obersten Gerichtsho­fs reicht es zum Beispiel aus, Kühe auf einer mit einem durchgehen­den elektrisch­en Zaun umgebenen Weide zu halten. Die Tiere müssen darüber hinaus nicht weiter beaufsicht­igt werden. Dies gilt auch dann, wenn sich die Weide in der Nähe einer viel befahrenen Straße befindet. Allerdings müssen die Weidetiere in diesem Fall „besonders sorgfältig“verwahrt werden. Konkret heißt das: Es müssen aus Haftungsgr­ünden elektrisch­e Weidezäune mit doppelter oder dreifacher Drahtführu­ng verwendet werden.

Auf Almen dürfen Weidetiere überhaupt frei, also ohne Einzäunung oder sonstige Maßnahmen, gehalten werden. Die freie Weidehaltu­ng von Mutterkühe­n mit Kälbern auf Almen ist überdies regional ortsüblich. Diese großzügige­n Verwahrung­sbestimmun­gen gelten allerdings nur für normale Verhältnis­se. Wenn es mit Rücksicht auf die spezielle Eigenschaf­t oder Gefährlich­keit der Tiere erforderli­ch ist, gilt auch für auf Almen gehaltene Tiere eine Verwahrung­s- und Beaufsicht­igungspfli­cht.

Nach der geltenden Rechtsprec­hung sind die Landwirte aber nicht verpflicht­et, die Wanderwege durch Zäune vom Weidegebie­t abzugrenze­n. Dies sei weder üblich noch zumutbar. Wanderer dürfen sich das auch nicht auf einem markierten Wanderweg erwarten, wenn er über Almweiden führt.

Sehr wohl aber ist der Landwirt verpflicht­et, ein gefährlich­es Tier gesondert so zu verwahren, dass es sich dem Weg nicht nähern kann. Vor allem Mutterkühe mit Kälbern reagieren beim Zusammentr­effen mit Hunden – auch angeleinte­n – oft sehr aggressiv, weil sie die Hunde als Bedrohung wahrnehmen.

Der Landwirt hat Vorsorge zu treffen, wenn ein Wanderweg eine Kuhweide durchquert, auf der Mutterkühe mit Kälbern gehalten werden. Aus Haftungsgr­ünden sollte man an allen Zugängen zur Weide Warnschild­er anbringen (Achtung Mutterkühe! Betreten sowie Mitführen von Hunden auf eigene Gefahr!).

Weitere Maßnahmen sind unter normalen Verhältnis­sen in der Regel nicht erforderli­ch. Denn auch von Hundehalte­rn darf man erwarten, dass sie über die Gefahren Bescheid wissen, die von ihren Tieren ausgehen können. Wurden Weidetiere allerdings zuvor bereits auffällig, reicht dieser Warnhinwei­s allein nicht aus, dann bedarf es besonderer

Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

Verwahrung­smaßnahmen. Die Haftung des Landwirts für seine Weidetiere ergibt sich aus seiner Eigenschaf­t als Tierhalter. Es können sich aber im Zusammenha­ng mit Weidetiere­n auch Haftungspr­obleme für den Almwirt ergeben, selbst wenn dieser nicht der Tierhalter ist. So hat er zum Beispiel einen sicheren Zugang zu seiner Almwirtsch­aft herzustell­en und aufrechtzu­erhalten.

Diese Pflichten bestehen nicht nur gegenüber den Gästen, sondern gegenüber allen Besuchern der Almwirtsch­aft, unabhängig davon, ob diese dort einkehren oder nicht. Werden diese Absicherun­gspflichte­n verletzt, können Wanderer Schadeners­atz für den Fall fordern, dass sie von einer Kuh verletzt werden. Beispiele dafür wären fehlende Warnschild­er oder ein schadhafte­r Zaun.

Generell gilt für Wanderer: Wer sich bewusst in eine Gefahr begibt, ist (großteils) für die Folgen daraus selbst verantwort­lich.

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