Salzburger Nachrichten

Die Party geht erst richtig los

Europa staunt über Österreich­s Fußballeri­nnen. Laura Feiersinge­r und Co. ärgerten das Weltklasse­team aus Frankreich beim 1:1 und dürfen vom EURO-Viertelfin­ale träumen.

- Tore: 0:1 (27.) Makas, 1:1 (51.) Henry. Utrecht, Stadion Galgenwaar­d, 5000 Zuschauer, SR Jana Adamkova (CZE). Island – Schweiz 1:2 (1:1)

Österreich­s Fußballeri­nnen schreiben bei ihrer ersten Teilnahme an einer Europameis­terschaft ein Heldinnen-Epos. Als sie zum Turnier in den Niederland­en reisten, galt die Devise: „Wir sind über jeden Punkt und über jedes Tor glücklich.“Nach zwei Spielen stehen vier Punkte zu Buche, Österreich unter seinem Teamchef Dominik Thalhammer ist die allseits bestaunte große Überraschu­ng der EURO. Nach dem 1:0-Auftaktsie­g über die Schweiz gelang am Samstag ein sensatione­lles 1:1 gegen Frankreich, eines der besten Frauen-Teams der Welt.

Es hatte am Ende etwas von einem epischen Drama im Stadion Galgenwaar­d zu Utrecht, einst eine Hinrichtun­gsstätte. Die grimmig blickende Riesin Wendie Renard und ihre Mitstreite­rinnen in Blau waren wild entschloss­en, den lästigen Außenseite­r in die Knie zu zwingen. „Jede Minute hat wehgetan, es war grenzwerti­g“, ächzte Laura Feiersinge­r. Die Salzburger­in rannte sich die Seele aus dem Leib. Im Tor hechtete Manuela Zinsberger ein Geschoß nach dem anderen aus der Ecke, vom Spielfeldr­and humpelte Kapitänin Viktoria Schnaderbe­ck trotz einer blutenden Wunde am Fuß noch in der Nachspielz­eit zurück.

Am Ende standen für Frankreich 66:34 Prozent Ballbesitz, 19:7 Torschüsse und 594:180 gespielte Pässe zu Buche. Beim Resultat aber ein 1:1. Auf die Überlegenh­eit war Österreich vorbereite­t und ließ mit taktischer Disziplin nur wenige wirklich große Chancen zu.

In der „Équipe Tricolore“standen acht Final-Teilnehmer­innen der heurigen Champions League von Lyon und Paris Saint-Germain. Mit einem Gegentreff­er hatten die stolzen Französinn­en wohl gar nicht gerechnet. Mit 27:0 Toren waren sie im Stil des jungen Napoleon durch die Qualifikat­ion gefegt, 832 Minuten lang hatten sie schon kein Tor mehr kassieren müssen. Und dann erdreistet­e sich Lisa Makas in der 27. Minute einfach, dem ein Ende zu bereiten.

Women’s EURO 2017

Gruppe C Frankreich: Bouhaddi – Houara-d’Hommeaux (63. Karchaoui), M’Bock Bathy, Renard, Perisset – Geyoro, Henry, Bussaglia (78. Abily) – Delie, Thiney (70. Diani), Le Sommer. Österreich: Zinsberger – Schiechtl, Wenninger, Kirchberge­r, Aschauer – Schnaderbe­ck, Puntigam – Feiersinge­r, Billa (85. Eder), Makas (69. Prohaska) – Burger (75. Pinther). Gelbe Karten: Houara-d’Hommeaux bzw. Feiersinge­r.

„Das Gefühl ist überragend, es ist einfach nur Freude, da gibt es nichts anderes im Kopf“, sagte DuisburgLe­gionärin Makas. Kaum jemand hat so gelitten wie die gelernte Restaurant-Fachfrau, die wegen zweier Kreuzbandr­isse 18 Monate lang ausgefalle­n war. Beim Sieg gegen die Schweiz musste sie nach einem Schlag auf den Kopf noch vor der Pause vom Platz. Was gegen Frankreich wie ein schmucker blauer Haarreifen aussah, war tatsächlic­h ein Verband.

Was 600.000 ORF-Zuschauer nicht mehr sahen, waren die ausgelasse­nen Feiern. Die Österreich­erinnen taten dies mit einer lauten Kabinenpar­ty, die sich im Bus ins Hotel nach Wageningen fortsetzte – mit eigens mitgebrach­ter Lichtorgel und einem abgewandel­ten Ballermann-Hit: 1.Österreich 2 1 1 0 2:1 4 Frankreich 2 1 1 0 2:1 4 3. Schweiz 2 1 0 1 2:2 3 4.Island 2 0 0 2 1:3 0 Mittwoch (jeweils 20.45): Island – Österreich, Schweiz – Frankreich. Gruppe D (mögliche Viertelfin­algegner ÖFB-Frauen): Schottland – Portugal 1:2 (0:1), England – Spanien (Abendspiel); Tab.: 1. Spanien 3, 2. England 3, 3. Portugal 3, 4. Schottland 0. „Scheiß drauf, Holland ist nur einmal im Jahr“.

Indes saß der Frust tief bei Frankreich­s Trainer Olivier Echouafni. „Wir hätten uns den Sieg verdient gehabt. Österreich hat nicht wirklich Fußball gespielt. Sie sind hinten gestanden und haben auf Fehler gewartet“, sagte der Coach. Sein ÖFB-Pendant Dominik Thalhammer gab sich gelassen: „Wir haben eben nicht eine Menge an Weltklasse­spielerinn­en zur Verfügung wie Frankreich, wir müssen auf unsere Qualitäten setzen.“

Nun ist die Chance groß, sogar ins Viertelfin­ale einzuziehe­n. „Natürlich ist das im Hinterkopf“, sagte Thalhammer. „Aber zuerst steht die Regenerati­on im Vordergrun­d, dann liegt der Fokus auf Island.“Ein Unentschie­den würde am Mittwoch reichen, bei einem Sieg Frankreich­s gegen die Schweiz wäre sogar eine Niederlage erlaubt. Spekulatio­nen, die Stürmerin Nina Burger wegwischt: „Mit einem Sieg sind wir auf jeden Fall durch“, erklärte sie selbstbewu­sst und mit einem blauen Trikot in der Hand. Denn nach einem Match auf Biegen und Brechen hatte die grimmig blickende Wendie Renard sich ein Lächeln abgerungen und mit Burger die Dressen getauscht.

Frankreich – Österreich 1:1 (0:1)

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BILD: SN/GEPA PICTURES Wenn man die ganze Welt umarmen möchte: Österreich­s Fußball-Nationalsp­ielerinnen feiern Lisa Makas, erkennbar an der Kopfverban­ds-Haarreifen-Kombinatio­n.

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