Die Party geht erst richtig los
Europa staunt über Österreichs Fußballerinnen. Laura Feiersinger und Co. ärgerten das Weltklasseteam aus Frankreich beim 1:1 und dürfen vom EURO-Viertelfinale träumen.
Österreichs Fußballerinnen schreiben bei ihrer ersten Teilnahme an einer Europameisterschaft ein Heldinnen-Epos. Als sie zum Turnier in den Niederlanden reisten, galt die Devise: „Wir sind über jeden Punkt und über jedes Tor glücklich.“Nach zwei Spielen stehen vier Punkte zu Buche, Österreich unter seinem Teamchef Dominik Thalhammer ist die allseits bestaunte große Überraschung der EURO. Nach dem 1:0-Auftaktsieg über die Schweiz gelang am Samstag ein sensationelles 1:1 gegen Frankreich, eines der besten Frauen-Teams der Welt.
Es hatte am Ende etwas von einem epischen Drama im Stadion Galgenwaard zu Utrecht, einst eine Hinrichtungsstätte. Die grimmig blickende Riesin Wendie Renard und ihre Mitstreiterinnen in Blau waren wild entschlossen, den lästigen Außenseiter in die Knie zu zwingen. „Jede Minute hat wehgetan, es war grenzwertig“, ächzte Laura Feiersinger. Die Salzburgerin rannte sich die Seele aus dem Leib. Im Tor hechtete Manuela Zinsberger ein Geschoß nach dem anderen aus der Ecke, vom Spielfeldrand humpelte Kapitänin Viktoria Schnaderbeck trotz einer blutenden Wunde am Fuß noch in der Nachspielzeit zurück.
Am Ende standen für Frankreich 66:34 Prozent Ballbesitz, 19:7 Torschüsse und 594:180 gespielte Pässe zu Buche. Beim Resultat aber ein 1:1. Auf die Überlegenheit war Österreich vorbereitet und ließ mit taktischer Disziplin nur wenige wirklich große Chancen zu.
In der „Équipe Tricolore“standen acht Final-Teilnehmerinnen der heurigen Champions League von Lyon und Paris Saint-Germain. Mit einem Gegentreffer hatten die stolzen Französinnen wohl gar nicht gerechnet. Mit 27:0 Toren waren sie im Stil des jungen Napoleon durch die Qualifikation gefegt, 832 Minuten lang hatten sie schon kein Tor mehr kassieren müssen. Und dann erdreistete sich Lisa Makas in der 27. Minute einfach, dem ein Ende zu bereiten.
Women’s EURO 2017
Gruppe C Frankreich: Bouhaddi – Houara-d’Hommeaux (63. Karchaoui), M’Bock Bathy, Renard, Perisset – Geyoro, Henry, Bussaglia (78. Abily) – Delie, Thiney (70. Diani), Le Sommer. Österreich: Zinsberger – Schiechtl, Wenninger, Kirchberger, Aschauer – Schnaderbeck, Puntigam – Feiersinger, Billa (85. Eder), Makas (69. Prohaska) – Burger (75. Pinther). Gelbe Karten: Houara-d’Hommeaux bzw. Feiersinger.
„Das Gefühl ist überragend, es ist einfach nur Freude, da gibt es nichts anderes im Kopf“, sagte DuisburgLegionärin Makas. Kaum jemand hat so gelitten wie die gelernte Restaurant-Fachfrau, die wegen zweier Kreuzbandrisse 18 Monate lang ausgefallen war. Beim Sieg gegen die Schweiz musste sie nach einem Schlag auf den Kopf noch vor der Pause vom Platz. Was gegen Frankreich wie ein schmucker blauer Haarreifen aussah, war tatsächlich ein Verband.
Was 600.000 ORF-Zuschauer nicht mehr sahen, waren die ausgelassenen Feiern. Die Österreicherinnen taten dies mit einer lauten Kabinenparty, die sich im Bus ins Hotel nach Wageningen fortsetzte – mit eigens mitgebrachter Lichtorgel und einem abgewandelten Ballermann-Hit: 1.Österreich 2 1 1 0 2:1 4 Frankreich 2 1 1 0 2:1 4 3. Schweiz 2 1 0 1 2:2 3 4.Island 2 0 0 2 1:3 0 Mittwoch (jeweils 20.45): Island – Österreich, Schweiz – Frankreich. Gruppe D (mögliche Viertelfinalgegner ÖFB-Frauen): Schottland – Portugal 1:2 (0:1), England – Spanien (Abendspiel); Tab.: 1. Spanien 3, 2. England 3, 3. Portugal 3, 4. Schottland 0. „Scheiß drauf, Holland ist nur einmal im Jahr“.
Indes saß der Frust tief bei Frankreichs Trainer Olivier Echouafni. „Wir hätten uns den Sieg verdient gehabt. Österreich hat nicht wirklich Fußball gespielt. Sie sind hinten gestanden und haben auf Fehler gewartet“, sagte der Coach. Sein ÖFB-Pendant Dominik Thalhammer gab sich gelassen: „Wir haben eben nicht eine Menge an Weltklassespielerinnen zur Verfügung wie Frankreich, wir müssen auf unsere Qualitäten setzen.“
Nun ist die Chance groß, sogar ins Viertelfinale einzuziehen. „Natürlich ist das im Hinterkopf“, sagte Thalhammer. „Aber zuerst steht die Regeneration im Vordergrund, dann liegt der Fokus auf Island.“Ein Unentschieden würde am Mittwoch reichen, bei einem Sieg Frankreichs gegen die Schweiz wäre sogar eine Niederlage erlaubt. Spekulationen, die Stürmerin Nina Burger wegwischt: „Mit einem Sieg sind wir auf jeden Fall durch“, erklärte sie selbstbewusst und mit einem blauen Trikot in der Hand. Denn nach einem Match auf Biegen und Brechen hatte die grimmig blickende Wendie Renard sich ein Lächeln abgerungen und mit Burger die Dressen getauscht.
Frankreich – Österreich 1:1 (0:1)