Astronauten kennen kein Alter Der Mensch ist nicht für das All gebaut
Paolo Nespoli ist der Veteran unter den europäischen Astronauten. Mit 60 Jahren kehrt er zum dritten Mal auf die ISS zurück. Doch der Allprofi muss so gut wie alles neu erlernen.
WIEN. Die dritte Weltraummission des ESA-Astronauten Paolo Nespoli, die für Ende Juli geplant ist, fällt in ein sehr symbolträchtiges Jahr. Nespoli wurde im April 60 und vor knapp 60 Jahren, am 4. Oktober, wurde „Sputnik“als erster Satellit in den Orbit geschossen. Das markierte den offiziellen Auftakt der Eroberung des Weltraums mit Juri Gagarin, der als erster Mensch ins All flog, und dem Apollo-Programm der USA.
„Ich wuchs mit der Eroberung des Mondes auf. Ich bekam mit, wie Raketen zum Mond geschossen wurden“, erzählt Nespoli. Mit Begeisterung las er die Comics der Jetsons, einer Familie, die mit Jetscootern durchs All flitzten. Aber so einfach, wie man sich als kleiner Bub das Leben im All vorstellt, ist es nicht. Sogar so ein Profi wie Nespoli muss hart trainieren, wenn er wieder fliegt. Sich in der Schwerelosigkeit zu bewegen, müsse man immer wieder neu lernen, sagt er. Auch nach Monaten des Trainings brauchen die Astronauten eine Zeit der körperlichen und geistigen Anpassung, sobald sie auf der ISS ankommen. „Wenn es sich um eine Langzeitmission wie meine zweite und die kommende handelt, muss man Teil der Station werden“, sagt der Italiener. Man müsse lernen, sich an Bord absolut wohlzufühlen.
„Man muss eine Art Superman werden, man muss mit der ISS fliegen lernen. Das alles braucht Zeit. Ungefähr vier bis sechs Wochen. Aber dann muss man nicht mehr überlegen, wie man auf der Station von hier nach dort kommt, ohne überall anzuschlagen.“2007 arbeitete er zwei Wochen an der Konstruktion der ISS mit, 2011 verbrachte er sechs Monate an Bord. „Dieses Mal werde ich versuchen, die verschiedenen Empfindungen, im All zu sein, mehr zu genießen, anstatt mich darauf zu fokussieren, bestmögliche Resultate zu erzielen“, sagt Nespoli. Die nächste Mannschaft der ISS wird einen sehr vollen Zeitplan haben, denn sie muss zirka 200 wissenschaftliche Experimente durchführen. „Die Entdeckerfreude ist eines der Dinge, die dich zufrieden machen, und vielleicht ist es das, was Erwachsene im Gegensatz zu Kindern verlieren. Also kommt man vielleicht jünger aus dem Weltraum zurück, wer weiß …“, meint Nespoli.
Astronauten sind körperlich trainiert und werden mit jährlichen Check-ups in Form gehalten. Aber natürlich spielen auch die individuellen Voraussetzungen eine wichtige Rolle: „Das Schöne an Menschen ist, dass die Physiologie relativ ist, Alter ist relativ, manchmal kann ein jung gebliebener 60-Jähriger besser sein als ein früh gealterter 30-Jähriger“, erklärt dazu der ESA-Arzt Filippo Castrucci. Normalerweise sei der Mensch an die Schwerkraft gewöhnt. Um die Gesundheit von Astronauten während Langzeitmissionen zu erhalten, müsse man wissen, welche Funktionen im Körper sich wie veränderten.
„Mit diesem Experiment versuchen wir zu verstehen, wie das Gehirn und das zentrale Nervensystem arbeiten. Wir untersuchen, ob in der Schwerelosigkeit die Präzision der Bewegungen so gut wie auf der Erde ist“, sagt ESA-Ärztin Laura André-Boyet. Die Apparatur, die solches misst, wird zum ersten Mal von Paolo Nespoli getestet und zum Einsatz für spätere Benutzung justiert. „Paolo wird die Maschine im Raumlabor Columbus installieren. Er muss überprüfen, ob die auf der Erde vorgenommenen Einstellungen korrekt waren und ob man im All die Maschine richtig benutzen kann“, erklärt die Ärztin.
„Knochenabbau, Muskelabbau, all das könnte man vermeiden, wenn man den Besatzungsmitgliedern vielleicht sogar volle Schwerkraft zur Verfügung stellt. Für die Vorbereitung auf Langzeitmissionen wie auf den Mond und auf den Mars müssen wir die Fahrzeuge an den Menschen anpassen und nicht den Menschen an die Beschränkungen der Fahrzeuge“, sagt Castrucci.