Grenzstau kostet 560.000 Euro pro Tag
Frächter klagen über extreme Mehrkosten und Einbußen durch die Grenzkontrollen am Walserberg. Andere Firmen sehen das entspannter.
Kein Ende der Kontrollen in Sicht
Seit September 2105 wird kontrolliert. Wann Deutschland die Grenzen zu Österreich wieder vollständig öffnet, ist unbekannt. Die deutsche Politik sieht offiziell als Voraussetzung, dass die EU eine wirksame Kontrolle ihrer Außengrenzen aufbaut. Das freilich kann noch lange dauern. Vorerst soll jedenfalls bis Dezember weiterkontrolliert werden.
Was sagt die EU?
Die EU-Kommission hat – nach derzeitigem Stand – Deutschland Kontrollen bis Ende November gestattet. Dasselbe gilt übrigens auch für Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen. SALZBURG. Wie groß ist das Problem der Grenzkontrollen, die es seit Herbst 2015 gibt, für die Salzburger Wirtschaft?
Besonders betroffen ist die Transportwirtschaft: Im Herbst 2016 hatte etwa Salzburgers führende Spedition, die AugustinQuehenberger-Group, ihre Mehrkosten mit 600.000 Euro pro Jahr beziffert. Eine noch viel höhere Zahl für die gesamte Branche nennt jetzt Maximilian Gruber.
Der Frächter aus Unternberg im Lungau ist Fachgruppenobmann in der Wirtschaftskammer und rechnet „mit Mehrkosten durch die Kontrollen am Walserberg von rund 560.000 Euro pro Werktag“. Seiner Rechnung nach haben allein die Salzburger Frächter 2015 mehr als 2,2 Millionen Euro durch die Grenzkontrollen eingebüßt. Für die Transportbranche bedeuten die Kontrollen großen Mehraufwand: „Man muss oft um zwei Stunden früher wegfahren, wenn man pünktlich liefern will.“Und weil die erlaubte Lenkzeit pro Fahrer mit zwei Mal am Tag 4,5 Stunden am Stück begrenzt sei, würden die Lkw-Lenker jetzt oft nur mehr zwei statt wie vorher drei Touren am Tag schaffen.
Außerdem müsse man jetzt teilweise längere Touren mit zwei Fahrern besetzen. „Manchmal fährt auch ein Kollege mit dem Auto vom Lungau aus dem Lkw bis Eben im Pongau entgegen, um ihn bei der Rückfahrt rechtzeitig abzulösen.“Gruber, dessen Fir- ma 33 Lkw-Züge umfasst und 37 Mitarbeiter beschäftigt, wünscht sich Ausnahmeregelungen: „Wenn Lenkzeitüberschreitungen auf die Grenzkontrollen zurückzuführen sind, wäre es fair, die Lenkzeiten überschreiten zu dürfen.“Aber sind die Grenzkontrollen, wie manche meinen, nur Populismus und dem Wahlkampf in Deutschland und Österreich geschuldet? Gruber verneint: „Als Bürger habe ich habe Verständnis dafür, obwohl es für unsere Branche ein Wahnsinn ist.“
Aber wie sehr treffen die Grenzkontrollen auch andere Firmen und Branchen in Salzburg?
Christoph Bründl, Chef von Intersport Bründl, dem mit 2600 m2 größten Mieter im Designer Outlet Center (DOC) in Wals-Himmelreich, sieht sie als großes Problem: „Der Umsatz bei uns ist wegen der Kontrollen zwischen 10 und 20 Prozent weniger. Denn 38 Prozent des Umsatzes im DOC stammt von Kunden aus Deutschland, vor allem aus Bayern. Wir hören von vielen, dass sie weniger oft kommen wollen.“ Die Konsequenz sei, dass Kunden vermehrt online kaufen würden, klagt Bründl. Er bezweifelt außerdem, dass die Politik die Wirksamkeit der Grenzkontrollen zu Ende gedacht habe: „Ich glaube, dass das nur mehr eine Alibi-Aktion ist.“Sorge macht ihm zudem, ob die heuer geplante neue Regelung gegen den Sommerstau – Stauampeln statt einer Ableitung – funktionieren wird: „Dann werden noch mehr Leute herumirren in der Stadt. Denn an Verkehrsschilder halten sich viele nicht.“Die von Bgm. Heinz Schaden und Klubchef Bernhard Auinger (beide SPÖ) angedachte mittelfristige Sperre des Neutors für Autos lehnt Bründl ab: „Wenn man die Altstadt umbringen will, dann muss man das Neutor sperren.“
Gegenteilig betrachtet diese Frage Berta Rainer, Prokuristin bei Trachten Stassny in der Getreidegasse: „Dass das Neutor auf Dauer für Autos zu bleibt, kann ich mir gut vorstellen.“Denn das habe schon einmal gut funktioniert. Die Grenzkontrollen treffen aber auch ihren Betrieb: „Wir spüren, dass die bayrischen Gäste fehlen. Die haben bestimmt zehn Prozent unseres Umsatzes ausgemacht.“Als Bürgerin hat auch sie Verständnis für die Kontrollen. Die neue Sommerregelung beurteilt sie optimistisch: „Wenn die Stauampel rot ist, ist sie rot.“Rainer wünscht sich aber, dass die
„Wäre fair, die Lenkzeiten überschreiten zu dürfen.“
Politik stattdessen die Park-&Ride-Plätze mehr bewerben würde: „Die haben auch schon Kunden von uns genutzt, aber das gehört mehr propagiert.“
Entspannt sieht die Grenzkontrollen Kurt Kübler, Leiter des Post-Verteilzentrums Wals-Siezenheim: „Die spielen für uns keine Rolle, eher für die Frächter, die für uns über die Grenze fahren. Als im Vorjahr der Lieferinger Autobahntunnel gesperrt war, hat uns das viel mehr geschmerzt.“Wie geht es den Zustellern, die durch das Stadtgebiet müssen? Kübler hat keine Angst vor einem sommerlichen Stau-Chaos: „Das mit den Stau-Ampeln kann auch schiefgehen. Aber meine Leute sind um sieben Uhr früh in ihrem Rayon draußen.“Da sei immer wenig Verkehr.
Auch Dirk Sasse, Chef der Rupertustherme in Bad Reichenhall, hat mit den Grenzkontrollen kein Problem: „Als sie im September 2015 losgingen, hatten wir bis Jänner 2016 sofort 20 Prozent weniger österreichische Gäste. Dann haben wir Werbung ge- macht.“Seither habe sich die Situation normalisiert. „Unsere Gästezahl ist heuer sogar leicht höher als im Vorjahr.“
Klagen gibt es auch, dass der Schleich- und Umgehungsverkehr durch die Grenzkontrollen zunahm – wie eine neue Bürgerinitiative in Grödig kritisiert.
Auch der Walser Bürgermeister Joachim Maislinger kann ein Lied davon singen: „Wir haben doppelt so viel Verkehr durch unser Ortszentrum. Auf einer Gemeindestraße in Gois haben wir schon Tempobremsen eingebaut.“Aktuell sieht er Schwierigkeiten durch eine Baustelle auf der deutschen A8. Maislinger ist skeptisch, dass sich an den Kontrollen nach den deutschen Wahlen am 24. 9. etwas ändert: „Es hängt wohl auch davon ab, ob Österreich am Brenner kontrolliert.“Ähnlich sieht es Salzburgs Vizebürgermeister Harald Preuner (ÖVP): Er sprach sich in der Vergangenheit gegen die Kontrollen aus, änderte aber die Meinung. „Jetzt habe ich großes Verständnis, weil ein Flüchtlingsansturm aus Italien droht. Da muss man ein Zeichen setzen.“
Verkehrslandesrat Hans Mayr (SBG) sieht es konträr: „Ich habe für den Ärger der Wirtschaft größtes Verständnis. Ich glaube, nach den Wahlen ändert sich etwas.“Die Kontrollen wären reiner Populismus.
„Die Grenzkontrollen sind nur mehr eine Alibi-Aktion.“