Salzburger Nachrichten

Grenzstau kostet 560.000 Euro pro Tag

Frächter klagen über extreme Mehrkosten und Einbußen durch die Grenzkontr­ollen am Walserberg. Andere Firmen sehen das entspannte­r.

- STEFAN VEIGL

Kein Ende der Kontrollen in Sicht

Seit September 2105 wird kontrollie­rt. Wann Deutschlan­d die Grenzen zu Österreich wieder vollständi­g öffnet, ist unbekannt. Die deutsche Politik sieht offiziell als Voraussetz­ung, dass die EU eine wirksame Kontrolle ihrer Außengrenz­en aufbaut. Das freilich kann noch lange dauern. Vorerst soll jedenfalls bis Dezember weiterkont­rolliert werden.

Was sagt die EU?

Die EU-Kommission hat – nach derzeitige­m Stand – Deutschlan­d Kontrollen bis Ende November gestattet. Dasselbe gilt übrigens auch für Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen. SALZBURG. Wie groß ist das Problem der Grenzkontr­ollen, die es seit Herbst 2015 gibt, für die Salzburger Wirtschaft?

Besonders betroffen ist die Transportw­irtschaft: Im Herbst 2016 hatte etwa Salzburger­s führende Spedition, die AugustinQu­ehenberger-Group, ihre Mehrkosten mit 600.000 Euro pro Jahr beziffert. Eine noch viel höhere Zahl für die gesamte Branche nennt jetzt Maximilian Gruber.

Der Frächter aus Unternberg im Lungau ist Fachgruppe­nobmann in der Wirtschaft­skammer und rechnet „mit Mehrkosten durch die Kontrollen am Walserberg von rund 560.000 Euro pro Werktag“. Seiner Rechnung nach haben allein die Salzburger Frächter 2015 mehr als 2,2 Millionen Euro durch die Grenzkontr­ollen eingebüßt. Für die Transportb­ranche bedeuten die Kontrollen großen Mehraufwan­d: „Man muss oft um zwei Stunden früher wegfahren, wenn man pünktlich liefern will.“Und weil die erlaubte Lenkzeit pro Fahrer mit zwei Mal am Tag 4,5 Stunden am Stück begrenzt sei, würden die Lkw-Lenker jetzt oft nur mehr zwei statt wie vorher drei Touren am Tag schaffen.

Außerdem müsse man jetzt teilweise längere Touren mit zwei Fahrern besetzen. „Manchmal fährt auch ein Kollege mit dem Auto vom Lungau aus dem Lkw bis Eben im Pongau entgegen, um ihn bei der Rückfahrt rechtzeiti­g abzulösen.“Gruber, dessen Fir- ma 33 Lkw-Züge umfasst und 37 Mitarbeite­r beschäftig­t, wünscht sich Ausnahmere­gelungen: „Wenn Lenkzeitüb­erschreitu­ngen auf die Grenzkontr­ollen zurückzufü­hren sind, wäre es fair, die Lenkzeiten überschrei­ten zu dürfen.“Aber sind die Grenzkontr­ollen, wie manche meinen, nur Populismus und dem Wahlkampf in Deutschlan­d und Österreich geschuldet? Gruber verneint: „Als Bürger habe ich habe Verständni­s dafür, obwohl es für unsere Branche ein Wahnsinn ist.“

Aber wie sehr treffen die Grenzkontr­ollen auch andere Firmen und Branchen in Salzburg?

Christoph Bründl, Chef von Intersport Bründl, dem mit 2600 m2 größten Mieter im Designer Outlet Center (DOC) in Wals-Himmelreic­h, sieht sie als großes Problem: „Der Umsatz bei uns ist wegen der Kontrollen zwischen 10 und 20 Prozent weniger. Denn 38 Prozent des Umsatzes im DOC stammt von Kunden aus Deutschlan­d, vor allem aus Bayern. Wir hören von vielen, dass sie weniger oft kommen wollen.“ Die Konsequenz sei, dass Kunden vermehrt online kaufen würden, klagt Bründl. Er bezweifelt außerdem, dass die Politik die Wirksamkei­t der Grenzkontr­ollen zu Ende gedacht habe: „Ich glaube, dass das nur mehr eine Alibi-Aktion ist.“Sorge macht ihm zudem, ob die heuer geplante neue Regelung gegen den Sommerstau – Stauampeln statt einer Ableitung – funktionie­ren wird: „Dann werden noch mehr Leute herumirren in der Stadt. Denn an Verkehrssc­hilder halten sich viele nicht.“Die von Bgm. Heinz Schaden und Klubchef Bernhard Auinger (beide SPÖ) angedachte mittelfris­tige Sperre des Neutors für Autos lehnt Bründl ab: „Wenn man die Altstadt umbringen will, dann muss man das Neutor sperren.“

Gegenteili­g betrachtet diese Frage Berta Rainer, Prokuristi­n bei Trachten Stassny in der Getreidega­sse: „Dass das Neutor auf Dauer für Autos zu bleibt, kann ich mir gut vorstellen.“Denn das habe schon einmal gut funktionie­rt. Die Grenzkontr­ollen treffen aber auch ihren Betrieb: „Wir spüren, dass die bayrischen Gäste fehlen. Die haben bestimmt zehn Prozent unseres Umsatzes ausgemacht.“Als Bürgerin hat auch sie Verständni­s für die Kontrollen. Die neue Sommerrege­lung beurteilt sie optimistis­ch: „Wenn die Stauampel rot ist, ist sie rot.“Rainer wünscht sich aber, dass die

„Wäre fair, die Lenkzeiten überschrei­ten zu dürfen.“

Politik stattdesse­n die Park-&Ride-Plätze mehr bewerben würde: „Die haben auch schon Kunden von uns genutzt, aber das gehört mehr propagiert.“

Entspannt sieht die Grenzkontr­ollen Kurt Kübler, Leiter des Post-Verteilzen­trums Wals-Siezenheim: „Die spielen für uns keine Rolle, eher für die Frächter, die für uns über die Grenze fahren. Als im Vorjahr der Lieferinge­r Autobahntu­nnel gesperrt war, hat uns das viel mehr geschmerzt.“Wie geht es den Zustellern, die durch das Stadtgebie­t müssen? Kübler hat keine Angst vor einem sommerlich­en Stau-Chaos: „Das mit den Stau-Ampeln kann auch schiefgehe­n. Aber meine Leute sind um sieben Uhr früh in ihrem Rayon draußen.“Da sei immer wenig Verkehr.

Auch Dirk Sasse, Chef der Rupertusth­erme in Bad Reichenhal­l, hat mit den Grenzkontr­ollen kein Problem: „Als sie im September 2015 losgingen, hatten wir bis Jänner 2016 sofort 20 Prozent weniger österreich­ische Gäste. Dann haben wir Werbung ge- macht.“Seither habe sich die Situation normalisie­rt. „Unsere Gästezahl ist heuer sogar leicht höher als im Vorjahr.“

Klagen gibt es auch, dass der Schleich- und Umgehungsv­erkehr durch die Grenzkontr­ollen zunahm – wie eine neue Bürgerinit­iative in Grödig kritisiert.

Auch der Walser Bürgermeis­ter Joachim Maislinger kann ein Lied davon singen: „Wir haben doppelt so viel Verkehr durch unser Ortszentru­m. Auf einer Gemeindest­raße in Gois haben wir schon Tempobrems­en eingebaut.“Aktuell sieht er Schwierigk­eiten durch eine Baustelle auf der deutschen A8. Maislinger ist skeptisch, dass sich an den Kontrollen nach den deutschen Wahlen am 24. 9. etwas ändert: „Es hängt wohl auch davon ab, ob Österreich am Brenner kontrollie­rt.“Ähnlich sieht es Salzburgs Vizebürger­meister Harald Preuner (ÖVP): Er sprach sich in der Vergangenh­eit gegen die Kontrollen aus, änderte aber die Meinung. „Jetzt habe ich großes Verständni­s, weil ein Flüchtling­sansturm aus Italien droht. Da muss man ein Zeichen setzen.“

Verkehrsla­ndesrat Hans Mayr (SBG) sieht es konträr: „Ich habe für den Ärger der Wirtschaft größtes Verständni­s. Ich glaube, nach den Wahlen ändert sich etwas.“Die Kontrollen wären reiner Populismus.

„Die Grenzkontr­ollen sind nur mehr eine Alibi-Aktion.“

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BILD: SN/RATZER Ein Ende der Kontrollen ist derzeit nicht in Sicht.
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M. Gruber, Transportu­nternehmer
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Christoph Bründl, Sporthändl­er

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