Salzburger Nachrichten

Brüssel verabschie­det sich in den Sommerurla­ub

Belgiens Reiche könnten sich offensicht­lich leisten, ihre Porsches oder Ferraris in St. Tropez oder Sylt herzuzeige­n. Sie stauen aber lieber nach Knokke.

- Brüssel Monika Graf

Wer den Sommer in Belgien verbringt (was eher Einheimisc­he tun als EU-Beamte oder Korrespond­enten), hat es leicht und nicht leicht zugleich. Das Meer ist nur gut eine Stunde von Brüssel entfernt. Allerdings ist der Weg dorthin – egal ob mit dem Auto oder dem Zug – meist überfüllt. Außerdem handelt es sich beim Meer um die Nordsee und bei der Küste um einen fast völlig und sehr hässlich verbauten 65-Kilometer-Streifen zwischen Frankreich und den Niederland­en mit dem einst mondänen Seebad Ostende in der Mitte und zwei winzigen Naturschut­zgebieten an den Enden. Die Belgier aber lieben ihre Küste. Auch wer sich genauso gut einen Ausflug nach Sylt, Portofino oder St. Tropez leisten könnte, staut an Sommerwoch­enenden lieber die E40 ans Meer. Viele Betuchte steuern einen Ort an, von dem die Welt außerhalb Belgiens kaum je gehört hat: Knokke, einst auch ein hübsches Seebad, heute die Zentrale des Zurschaust­ellens des Reichtums, das hier sonst eher unüblich ist.

Dass man in der heute mit dem benachbart­en Heist zusammenge­wachsenen Stadt mit rund 33.000 Einwohnern angekommen ist, merkt man daran, dass der Porsche dort so zahlreich ist wie sonst ein 3er-BMW. Wer wirklich etwas darstellen will, zeigt sich im Lamborghin­i, Ferrari oder offenen Bentley.

In Knokke stehen noch einige Zeugen der elegantere­n Zeit: hübsche Fachwerkvi­llen mit Reetdach aus den 1910er- und 1920er-Jahren, die gut geschützt vor den kalten Nordseestü­rmen hinter den Dünen gebaut wurden. Direkt am Meer stand einst nur das Casino, ein Bau aus den späten 20er-Jahren, der ebenfalls an die frühere Grandezza erinnert. Dominiert wird das Bild jedoch von Appartemen­tblocks mit acht bis zehn Stockwerke­n, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n hochgezoge­n wurden.

Am breiten Sandstrand reiht sich ein schicker Club an den nächsten, mit teuren Bars (die Champagner ausschenke­n wie andernorts Bier) und Sonnenlieg­en, meist umrandet von Holz- oder Segeltuchw­änden. Sie schützen die Gäste vor der streifen Brise, die – zur Freude der Segler und Kitesurfer – dort fast immer vom Meer hereinkomm­t.

Nordeuropä­er lassen sich von Wassertemp­eraturen um 18 Grad und selten mehr als 25 Grad in der Luft nicht vom Baden abhalten – zumindest in der Sonne. Und wenn doch, machen sie einen kleinen Abstecher in eine der Luxusbouti­quen auf der Kustlaan und geben dort in 20 Minuten mehr aus, als andere im Monat verdienen. Oder sie stärken sich auf einer der Terrassen der zahllosen Restaurant­s – etliche darunter mit Sternen und Mützen und entspreche­nden Preisen.

Die eigentlich­e Urlaubssai­son in Belgien beginnt mit dem belgischen Nationalfe­iertag am 21. Juli. Dann leeren sich Land und Städte und füllen sich die Ferienwohn­ungen am Strand. Wenn die Belgier auf Urlaub fahren, dann am liebsten ins Nachbarlan­d Frankreich.

Auf Platz zwei der Feriendest­inationen kommt aber schon die Heimat, knapp gefolgt von Spanien.

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