Brüssel verabschiedet sich in den Sommerurlaub
Belgiens Reiche könnten sich offensichtlich leisten, ihre Porsches oder Ferraris in St. Tropez oder Sylt herzuzeigen. Sie stauen aber lieber nach Knokke.
Wer den Sommer in Belgien verbringt (was eher Einheimische tun als EU-Beamte oder Korrespondenten), hat es leicht und nicht leicht zugleich. Das Meer ist nur gut eine Stunde von Brüssel entfernt. Allerdings ist der Weg dorthin – egal ob mit dem Auto oder dem Zug – meist überfüllt. Außerdem handelt es sich beim Meer um die Nordsee und bei der Küste um einen fast völlig und sehr hässlich verbauten 65-Kilometer-Streifen zwischen Frankreich und den Niederlanden mit dem einst mondänen Seebad Ostende in der Mitte und zwei winzigen Naturschutzgebieten an den Enden. Die Belgier aber lieben ihre Küste. Auch wer sich genauso gut einen Ausflug nach Sylt, Portofino oder St. Tropez leisten könnte, staut an Sommerwochenenden lieber die E40 ans Meer. Viele Betuchte steuern einen Ort an, von dem die Welt außerhalb Belgiens kaum je gehört hat: Knokke, einst auch ein hübsches Seebad, heute die Zentrale des Zurschaustellens des Reichtums, das hier sonst eher unüblich ist.
Dass man in der heute mit dem benachbarten Heist zusammengewachsenen Stadt mit rund 33.000 Einwohnern angekommen ist, merkt man daran, dass der Porsche dort so zahlreich ist wie sonst ein 3er-BMW. Wer wirklich etwas darstellen will, zeigt sich im Lamborghini, Ferrari oder offenen Bentley.
In Knokke stehen noch einige Zeugen der eleganteren Zeit: hübsche Fachwerkvillen mit Reetdach aus den 1910er- und 1920er-Jahren, die gut geschützt vor den kalten Nordseestürmen hinter den Dünen gebaut wurden. Direkt am Meer stand einst nur das Casino, ein Bau aus den späten 20er-Jahren, der ebenfalls an die frühere Grandezza erinnert. Dominiert wird das Bild jedoch von Appartementblocks mit acht bis zehn Stockwerken, die in den vergangenen Jahrzehnten hochgezogen wurden.
Am breiten Sandstrand reiht sich ein schicker Club an den nächsten, mit teuren Bars (die Champagner ausschenken wie andernorts Bier) und Sonnenliegen, meist umrandet von Holz- oder Segeltuchwänden. Sie schützen die Gäste vor der streifen Brise, die – zur Freude der Segler und Kitesurfer – dort fast immer vom Meer hereinkommt.
Nordeuropäer lassen sich von Wassertemperaturen um 18 Grad und selten mehr als 25 Grad in der Luft nicht vom Baden abhalten – zumindest in der Sonne. Und wenn doch, machen sie einen kleinen Abstecher in eine der Luxusboutiquen auf der Kustlaan und geben dort in 20 Minuten mehr aus, als andere im Monat verdienen. Oder sie stärken sich auf einer der Terrassen der zahllosen Restaurants – etliche darunter mit Sternen und Mützen und entsprechenden Preisen.
Die eigentliche Urlaubssaison in Belgien beginnt mit dem belgischen Nationalfeiertag am 21. Juli. Dann leeren sich Land und Städte und füllen sich die Ferienwohnungen am Strand. Wenn die Belgier auf Urlaub fahren, dann am liebsten ins Nachbarland Frankreich.
Auf Platz zwei der Feriendestinationen kommt aber schon die Heimat, knapp gefolgt von Spanien.