Die Museen sind gottlos geworden
Ein Kunsthistoriker warnt: Wenn Religion nicht kulturell produktiv werde, sei sie tot.
„Gott hat kein Museum.“Mit dieser Feststellung legt der Kunsthistoriker, Ausstellungskurator und Theologe Johannes Rauchenberger seinen Finger auf ein zweifaches Manko. Zum einen gebe es kaum Museen, die sich mit zeitgenössischer Kunst befassten und dabei nach Gott fragten. Zum anderen verabsäume es insbesondere die katholische Kirche, ihre Museen als anderes zu verstehen als „Erinnerungsstätten für nicht mehr eingesetzte Kultgegenstände“.
Dies erläuterte Johannes Rauchenberger anlässlich der Disputationes in Salzburg, die heuer wieder die Ouverture spirituelle der Salzburger Festspiele intellektuell begleiten. Finanziert werden die Vorträge aus Philosophie, Theologie, Kunst und Wissenschaft vom Herbert-BatlinerEuropainstitut, inhaltlich geleitet vom einstigen ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek. Das fünftägige Symposium hat am vorigen Freitag begonnen. Nach Vortragsreihen über „Glaube“, „Staunen“und „Denken“endet es heute, Dienstag, mit „Hoffen“. Während bei den Salzburger Festspielen spirituelle Musik oder Musik im spirituellen Raum der Kollegienkirche erklingt, hat Johannes Rauchenberger, der seit 2000 das Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz leitet, den Blick auf das zerrüttete Verhältnis von zeitgenössischer Kunst und christlicher Religion geworfen. Als Ausgangspunkt nimmt er eine These des deutschen Kunsthistorikers Wolfgang Schöne aus 1954: Die Bildgeschichte des christlichen Gottes sei – jedenfalls im Westen – etwa seit dem Jahr 1800 abgelaufen. Diese These sei zur verbreiteten Ansicht geworden, erläutert Johannes Rauchenberger. Doch sie sei falsch. „Wenn das stimmt, ist Religion per se museal, also von gestern.“
Tatsächlich müsse man Religion mit zeitgenössischem Denken und folglich mit zeitgenössischer Kunst zusammenbringen – also nicht nur mit barocken Kirchen und alten Gemälden. Aber abgesehen von wenigen Ausnahmen kümmere sich kaum eine kirchliche Institution darum. „Der Heilige Geist ist offenbar in der Kirchenkunst verkümmert“, stellt Rauchenberger fest. Vielleicht sei der Heilige Geist auch in die autonome Kunst abgewandert.
Nach seinem Besuch im MozartRequiem der Salzburger Festspiele stellt er fest: „Das Absurde ist, dass das (das Zusammenwirken von Kunst und Religion, Anm.) die Konzertbesucher offenbar viel mehr zulassen, als dies die Amtskirche realisiert.“Zurück zur bildenden Kunst: Gott abzubilden sei nicht mehr plausibel. Aber dieser Plausibilitätsverlust habe zur Folge gehabt, dass die Auseinandersetzung mit Gott nur noch rational oder theoretisch, doch nicht mehr kreativ erfolge. Anders gesagt: „Die Theologie hat aufgehört zu staunen, was es an Kunstwerken der Moderne gibt.“
Braucht Gott ein Museum? Er brauche keines, wenn dann bräuchten wir eines, um ihn wahrzunehmen – oder wie Johannes Rauchenberger sagt: um ihn in jener Kunst zu betrachten, wo „auch spirituelle Kristallisationen dingfest werden“. Was vor allem die katholische Kirche verabsäume, regt er über ein Buch an: Zwanzig Jahre lang hat er Ausstellungen über zeitgenössische Kunst und Religion kuratiert, die Exponate hat er im dreibändigen Werk „Gott hat kein Museum“dargestellt – als ein mögliches zeitgenössisches Museum für Gott.