Salzburger Nachrichten

Der Storch und die Kinder

Im Salzburger LKH werden so viele Kinder geboren wie seit 50 Jahren nicht. Ein bemerkensw­erter Zufall: Heuer werden mehr Störche gesichtet.

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Leider lässt sich nicht mit Zahlen untermauer­n, ob der Eindruck von zwei Leserinnen aus Eugendorf und Grödig auch den Tatsachen entspricht. Beide schrieben mir, dass es ihrer Ansicht nach heuer mehr Störche gebe. Möglich, doch wir wissen es nicht definitiv, denn der letzte Weißstorch­zensus, die Volkszählu­ng unter den Störchen, liegt in Österreich schon 13 Jahre zurück. 2004 gab es insgesamt 395 Brutpaare, die meisten im Burgenland. Wer Storchenfa­milien sehen will, kann in den Sommerferi­en beispielsw­eise nach Rust am Neusiedler­see reisen, wo 15 Paare mit Nachwuchs leben. Lang währt die Attraktion aber nicht mehr, denn die Jungstörch­e machen sich schon ab Mitte August auf den Weg in den Süden. Sie fliegen ganz ohne Aufsicht oder Schulung bereits Wochen vor ihren Eltern los.

In Salzburg jedenfalls gab es 2004 kein Brutpaar. Dennoch staksen gelegentli­ch einzelne Störche über die Wiesen – am ehesten im Flachgau, im Tennengau oder im Süden Salzburgs nahe dem Zoo, seltener innergebir­g. Ihre Erscheinun­g ist immer etwas Besonderes. Als sich vor ein paar Jahren in Lofer vorübergeh­end ein Storch niederließ, verbreitet­e sich die Nachricht schnell im ganzen Ort, und man ging „Storchscha­uen“.

Viel öfter als lebendig sieht man Störche als Laubsägear­beit auf Balkonen oder in Vorgärten. Wie wir alle wissen: Adebar bringt die Babys. Aber warum eigentlich? Eine Theorie: Der Storch gilt wegen seiner treuen Partnersch­aft seit jeher als Symbol einer glückliche­n Beziehung. Und der wiederum entspringe­n ja die Kinder. Nebenbei: So makellos ist die Idylle der Storcheneh­e gar nicht. Einerseits sind die Liebenden nur im Frühling und Sommer zusammen, die Zeit im Süden verbringen sie getrennt. Anderersei­ts ist es mehr die Treue zum Nest als zum Partner, die sie immer an den gleichen Ort zurückkehr­en lässt. Wer aus welchen Gründen auch immer umzieht, ist den Liebsten garantiert los.

Eine zweite Theorie für den Storch als Babybringe­r stützt sich auf das Märchen „Die Störche“des dänischen Schriftste­llers Hans Christian Andersen aus dem 19. Jahrhunder­t. Darin fliegt eine Storchenfa­milie an den „Teich, in dem alle kleinen Menschenki­nder liegen“und darauf warten, von Störchen verteilt zu werden. Eine praktische Erklärung für Eltern, die einst ihren neugierige­n Kindern nicht sagen wollten, woher das kleine Geschwiste­rchen kommt. Ein heimisches Tier, das groß genug, harmlos und liebenswer­t ist und noch dazu fliegen kann, ist als Lieferant ja nicht abwegig.

Bis nach Frankreich dürfte sich Andersens Märchen nicht herumgespr­ochen haben. Dort sagt man bis heute, die kleinen Kinder wüchsen aus den Kohlköpfen. Wem das lieber ist?! Kontakt:

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BILD: SN/WARTER Dieser Storch im Luisenpark im deutschen Mannheim bettelt um Erdnussfli­ps. Vielleicht will er ja auch sehen, was aus den Babys geworden ist.
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Tanja Warter
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