Salzburger Nachrichten

Sollen Polizisten vom Wehrdienst befreit sein?

Der Vorstoß des Innenminis­ters erzürnt das Bundesheer. Denn Armee und Exekutive sind Konkurrent­en in einer wichtigen Zukunftsfr­age.

- Pur,akr

Empörte Reaktionen im Bundesheer hat Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit seinem Vorstoß ausgelöst, Polizisten vom Wehrdienst zu befreien. Es sei unverantwo­rtlich, ausgerechn­et im Wahlkampf eine „selektive Wehrpflich­t“zu fordern, die der Verfassung und dem Volkswille­n widersprec­he, wetterte am Dienstag der Präsident der Offiziersg­esellschaf­t, Erich Cibulka. Auch die Unteroffiz­iersgesell­schaft warnt: „Hände weg von der Wehrpflich­t!“

Generalsta­bschef Othmar Commenda hat den Vorstoß Sobotkas ebenfalls bereits abgelehnt. Das Thema sei für einen Wahlkampf ungeeignet, sagte er. Zudem überrasche es ihn, dass der Vorschlag ausgerechn­et von jener Partei komme, die bei der Volksbefra­gung 2013 heftig dafür gekämpft habe, dass die Wehrpflich­t erhalten bleibe, sagte der General.

Im Innenminis­terium sieht man das anders. Der Generaldir­ektor für die öffentlich­e Sicherheit, Konrad Kogler, verweist darauf, dass manche Ausbildung­sinhalte wie Waffenhand­habung und Exerzierdi­enst beim Wehrdienst und bei der Polizeiaus­bildung ähnlich seien. Insofern sei es ein moderner Ansatz, Polizisten den Umweg über den Wehrdienst zu ersparen, sagt Kogler.

Der tatsächlic­he Hintergrun­d von Sobotkas Vorstoß dürfte freilich ein anderer sein. In den kommenden Jahren gehen geburtenst­arke Jahrgänge in Pension. Der öffentlich­e Dienst sucht daher dringend nach Personal, und da stehen Bundesheer und Exekutive zueinander in direkter Konkurrenz. Schließlic­h werben beide Institutio­nen um die gleiche Gruppe von jungen Männern.

Nicht zufällig hob das Bundesheer kürzlich die Einstiegsg­ehälter für junge Soldaten auf Polizei-Niveau an. Mit dem Vorstoß einer Wehrdienst-Befreiung möchte die Polizei jetzt wieder ein Attraktivi­tätsplus erringen. Ganz offen hat Innenminis­ter Sobotka seine Idee damit begründet, dass eine Befreiung vom Wehrdienst ein gutes Argument wäre, um junge Leute für den Polizeidie­nst zu gewinnen. Beim Bundesheer ist man erzürnt darüber, dass dieser Attraktivi­tätszuwach­s auf Kosten der Armee gehen soll. Denn die Grundwehrd­iener sind das Reservoir, aus dem das Heer ganz überwiegen­d sein Personal rekrutiert.

Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ), dem ein gutes Verhältnis zu Sobotka nachgesagt wird, wollte zu dessen Vorschlag bisher nicht Stellung nehmen. Neu ist Sobotkas Idee übrigens nicht. Bereits in den 70er-Jahren gab es eine Wehrdienst-Befreiung für Polizisten und andere Mangelberu­fe. Und damals, so betont Generaldir­ektor Kogler im Innenminis­terium, habe diese Regelung auch keine Personalpr­obleme beim Bundesheer ausgelöst.

Anders war man zur Zeit der Monarchie vorgegange­n. Damals wurden Soldaten nach Ablauf ihrer Dienstzeit bevorzugt in die Exekutive und in andere Bereiche des öffentlich­en Dienstes übernommen, wodurch erstens der Armeediens­t attraktiv war und zweitens die Exekutive bereits geschulte Nachwuchsk­räfte erhielt.

In den 70er-Jahren gab es diese Befreiung schon

Newspapers in German

Newspapers from Austria