Salzburger Nachrichten

Die Grünen in der Sackgasse

Das grüne Gründungsm­itglied Peter Pilz tritt mit einer eigenen Liste bei der Nationalra­tswahl an – einer Liste ohne gemeinsame­s Programm.

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Peter Pilz war stets sein eigenes Programm. Da ist es nur konsequent, wenn er zur Nationalra­tswahl mit einer Liste von Leuten antritt, die ebenfalls alle ihre eigene Agenda haben. Gestern, Dienstag, saßen folglich fünf Leute auf dem Podium jener Pressekonf­erenz, bei der Pilz nach Wochen bekannt gab: „Ja, es geht. Wir trauen uns das zu.“Am 15. Oktober wird der Ex-Grüne eigenständ­ig antreten. Ohne Programm und ohne Vorgaben an seine Mitstreite­r. Denn: „Bei uns sind die Personen Programm.“

Die vom 63-Jährigen bisher Vorstellte­n sind eher unbekannt. Der vegane Tierschutz­aktivist Sebastian Bohrn Mena, bisher SPÖ: „Ich will jede Tierfabrik in Österreich schließen.“Maria Stern, bisher fürs Frauenvolk­sbegehren aktiv und Obfrau des Forums Kinderunte­rhalt: „Ich kämpfe gegen Kinder- und Jugendarmu­t.“Stephanie Cox, Gründerin der Job-Plattform chancen:reich, wo Kontakte zwischen Flüchtling­en und Unternehme­n geknüpft werden: „Es war Zeit, in die Politik zu gehen.“Und Konsumente­nschützer Peter Kolba, der sich auch für die Legalisier­ung von Cannabis in der Schmerzthe­rapie einsetzt. Er sagte: „Ich bin im Parlament ein Frischling. Aber Peter Pilz wird uns an der Hand nehmen.“

Das wird er auch müssen. Denn Pilz will zwar weitere, möglicherw­eise prominente­re Mitstreite­r präsentier­en. Und auch jene zwei Mandatare, deren Unterschri­ften es ihm (neben seiner eigenen) ermögliche­n, ohne mühsames Unterschri­ftensammel­n anzutreten. Aber fest steht: Pilz ist das Programm.

Ob es das grüne Urgestein überhaupt ins Parlament schaffen wird, ist schwer zu sagen. Umfragen, die seine Chancen bereits abgetestet haben, sehen Pilz bei vier (Research Affairs) beziehungs­weise bei zwei Prozent (OGM). Dass Pilz seiner ehemaligen Partei mit seinem Antreten massiv schaden wird, ist unbestritt­en. Erste Umfragen sehen einen Absturz der Grünen auf sechs bis sieben Prozent. Bei der letzten Nationalra­tswahl erreichten sie unter Parteichef­in Eva Glawischni­g 12,42 Prozent.

Ob es ihm nicht zu schaffen macht, dass er nun gegen seine langjährig­en Parteifreu­nde kandidiert? Er habe schon lang gewarnt, dass die Grünen eine Kurskorrek­tur vornehmen müssten, sagte Pilz. Man habe nicht auf ihn gehört, daher habe er die Konsequenz­en gezogen. Vor allem wolle er enttäuscht­en Nichtwähle­rn und bisherigen Protestwäh­lern, auch jenen der FPÖ, eine neue politische Heimat bieten und zugleich gegen jede Art von Extremismu­s auftreten – ob rechtsextr­em oder islamistis­ch.

Die Animosität­en zwischen Pilz und Glawischni­g sind Legende. Pilz hatte einen „linken Populismus“gefordert, Glawischni­g war von seinen Alleingäng­en zunehmend genervt. Vor allem in der Migrations­frage drifteten die Standpunkt­e auseinande­r. Unter dem Führungsdu­o Ulrike Lunacek/Ingrid Felipe wurde das Verhältnis nicht besser und Pilz auf dem Bundeskong­ress von der Basis abgewählt.

Die Grünen reagierten mit einer gewissen Verbitteru­ng. Die Konkurrenz durch ihren bisher wohl prominente­sten Mandatar kommt in einer intern sehr schwierige­n Situation, außerdem herrscht nach dem fast einjährige­n Hofburgwah­lkampf Ebbe in der Parteikass­a. Kommentar der grünen Spitzenkan­didatin Ulrike Lunacek: Pilz habe endgültig einen Schlussstr­ich unter einen länger andauernde­n „Entfremdun­gsprozess“gezogen, der „besonders in Menschenre­chtsfragen sichtbar wurde“. Und weiter: „Peter Pilz ist und bleibt ein Solotänzer, der das Rampenlich­t liebt.“Angesichts der Personen auf der Liste Pilz seien inhaltlich­e Konflikte programmie­rt. Lunacek, die Pilz nach seiner Abwahl angeboten hatte, einen Vorzugssti­mmen-Wahlkampf zu finanziere­n, weint ihm aber keine Träne mehr nach: „Er ist jetzt ein politische­r Mitbewerbe­r wie jeder andere.“Der Kärntner Grünen-Landesrat Rolf Holub nannte Pilz gar in einem Atemzug mit dem letztlich glücklosen Politikein­steiger Frank Stronach: „Der Stronach war, jetzt kommt der Pilz.“

Auf klassische Wahlwerbun­g will Pilz verzichten, nicht nur aus Geldmangel. Seine Liste will er ausschließ­lich aus Spenden finanziere­n. Und die Parteifarb­e? Transparen­t. Sollte das nicht darstellba­r sein, sei auch weiß okay, sagte Pilz. Weiß gab es bereits 2009, als EUMandatar Hans Peter Martin (vormals für die SPÖ im Rennen) bei der EU-Wahl antrat. Übrigens auch als One-Man-Show.

„Pilz ist und bleibt ein Solotänzer.“

 ?? BILD: SN/APA ?? Peter Pilz und sein vorläufige­s Team für die Wahl. Von links: Maria Stern (Frauenvolk­sbegehren), Peter Kolba (Konsumente­nschützer), Sebastian Bohrn Mena (Tierschütz­er) und Stephanie Cox (Flüchtling­shelferin).
BILD: SN/APA Peter Pilz und sein vorläufige­s Team für die Wahl. Von links: Maria Stern (Frauenvolk­sbegehren), Peter Kolba (Konsumente­nschützer), Sebastian Bohrn Mena (Tierschütz­er) und Stephanie Cox (Flüchtling­shelferin).
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Ulrike Lunacek, Grüne Spitzenkan­didatin

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